Berlin verschärft EU-Asylrecht

Bundesregierung gegen Mehrheitsentscheidungen auf Unions-Ebene

  • Bernd Parusel
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Auf Druck der Bundesrepublik Deutschland werden die Vorschläge der EU-Kommission zur gemeinsamen Asyl- und Einwanderungspolitik verschärft.

Nicht nur im Innern, sondern auch auf dem europäischen Parkett tritt der deutsche Innenminister Otto Schily als Hardliner auf. Zusammen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder hat er auf dem jüngsten EU-Gipfel in Laeken durchgesetzt, dass die EU-Kommission ihre Vorschläge zur künftigen gemeinsamen Asyl- und Einwanderungspolitik verschärfen muss. Die Konzepte des EU-Kommissars für Justiz und Inneres, Antonio Vitorino, sind der Bundesrepublik zu liberal. Das zeigte sich schon im vergangenen Jahr bei den Verhandlungen über eine europaweite Regelung des Rechts von Ausländern auf Familienzusammenführung. Die Vorstellungen der EU-Kommission und des Europaparlaments scheiterten an Schily, weil sie großzügiger ausfielen, als es der Bundesregierung recht war. Die Kommission sah vor, dass Kinder bis zum Alter von 18 Jahren nachgezogen werden können - in Deutschland sind derzeit 14 Jahre im Gespräch. Die Folge: Der Brüsseler Richtlinienentwurf wurde bis heute nicht umgesetzt. Nun ist die Kommission gezwungen, einen neuen Vorschlag zu unterbreiten. Aber auch in anderen Bereichen der Einwanderungspolitik verlangt Deutschland Verschärfungen. So sollten nach dem Willen der EU-Kommission bestimmte Formen nichtstaatlicher Verfolgung EU-weit als Gründe für Asyl oder zumindest Abschiebeschutz anerkannt werden. Dies ist auch eine alte Forderung der deutschen Grünen, die dieses Thema im rot-grünen Entwurf des Zuwanderungsgesetzes verankert haben - auf europäischer Ebene wird dies jedoch blockiert. Obwohl Otto Schily EU-Kommissar Vitorino oft einen »guten Freund« nennt, kommen beide Seiten selten zu Übereinstimmungen. Vitorino hält beispielsweise nichts davon, dass Asylbewerber nach der so genannten »Drittstaatenregelung« ohne Prüfung ihres Antrags in »sichere Nachbarländer« abgeschoben werden können. Schily dagegen betrachtet die umstrittene Vorschrift als Grundpfeiler der deutschen Asylpraxis und will um jeden Preis daran festhalten. Deswegen wendet er sich in Fragen der Migrationspolitik auch gegen die Einführung von Mehrheitsentscheidungen im EU-Ministerrat, in dem die Innenminister der Mitgliedstaaten vertreten sind. Zu groß erscheint die Gefahr, dass die anderen Länder zuwanderungsfreundliche Vorschläge gegen die Position der Bundesrepublik durchdrücken. Damit Schilys Blockadepolitik weitergehen kann, soll weiter Einstimmigkeit gelten. Seit 1999 hat die EU-Kommission fast ein Dutzend Vorschläge im Bereich der Asyl- und Einwanderungspolitik vorgelegt, doch zu kaum einem konnte der Ministerrat bisher eine endgültige Entscheidung treffen. Die Vorlagen der Kommission folgen zwar durchaus dem von vielen Staaten betriebenen, aber niemals offen ausgesprochenen Prinzip der Abschottung der EU gegenüber Asylsuchenden - einigen EU-Ländern sind sie jedoch immer noch zu liberal und ausländerfreundlich. Gemeinsame Schritte Deutschlands, der anderen EU-Regierungen und der Brüsseler Kommission gab es deshalb nur dann, wenn es um die Abwehr von Flüchtlingsströmen, die europaweite Erfassung und Speicherung der Fingerabdrücke von Asylbewerbern oder um die Festlegung von Sanktionen gegen Schlepper und Fluchthelfer ging. »Was bisher beschlossen wurde, hat eine repressive Schlagseite«, kritisiert PRO ASYL, und spricht vom »Unwillen, ein Europäisches Asylrecht zu schaffen.« In allen anderen Punkten, etwa beim Festlegen gemeinsamer Asylstandards, ist EU-Kommissar Vitorino, auf den viele Asylinitiativen und Menschenrechtsgruppen Hoffnungen gesetzt hatten, jetzt gezwungen, seine Vorschläge zu verschärfen. Damit bleibt die Europäische Union in der Flüchtlingspolitik weiterhin vor allem fol...

Wenn Sie ein Abo haben, loggen Sie sich ein:

Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.

Bitte aktivieren Sie Cookies, um sich einloggen zu können.