Czaja führt Listenwirtschaft ein

Gute Hostelbetreiber sortiert die Senatsverwaltung für Gesundheit ins weiße Töpfchen, schlechte ins rote

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.
2000 Flüchtlinge im Asylverfahrungen wohnen noch immer in Hostels, Pensionen oder zweckentfremdeten Wohnungen. Dazu kommen 4000 anerkannte Flüchtlinge.

Sind es 2000, sind es 6000? Die Frage, wie viele Flüchtlinge derzeit in Hostels leben, ist noch immer ungeklärt. Einen Teil der Antwort gab Sozialsenator Mario Czaja (CDU) am Montag im Sozialausschuss des Abgeordnetenhauses. Rund 2000 Geflüchtete sind es demzufolge, die derzeit in Hostels, Pensionen oder Wohnungen leben. Die müssten nun, seit der Senat alle Betreiber aufgefordert hat, eine Betriebsgenehmigung einzureichen, keine Angst haben, auf der Straße zu landen, wiederholte Czaja seine Beteuerungen aus der vergangenen Woche. »Wir haben 2500 freie Unterkunftsplätze.«

In der vom Senator genannten Zahl sind allerdings nur diejenigen Flüchtlinge berücksichtigt, die noch im Asylverfahren stecken. Auskunft über diejenigen, die ihren Anerkennungsbescheid bereits erhalten haben und ihr Geld vom Jobcenter erhalten, gibt telefonisch Stefan von Dassel, Grünen-Stadtrat von Mitte. Sein Bezirk ist für etwa ein Viertel aller Berliner Flüchtlinge zuständig, 2000 seien im Jobcenter gemeldet. Von Dassel schätzt, dass rund die Hälfte von ihnen noch immer in Hostels oder Wohnungen lebt. Auf Berlin hochgerechnet könnten also noch einmal 4000 Flüchtlinge zu den von Czaja genannten 2000 dazu kommen. 6000 Flüchtlinge in unsicheren Wohnverhältnissen, die jeden Tag eine Kündigung in die Hand gedrückt bekommen können - stimmt diese Zahl, dann könnten in den kommenden Wochen doch Tausende in die Wohnungslosigkeit gedrängt werden, wie es »neues deutschland« bereits in der vergangenen Woche berichtet hatte.

Eine Arbeitsgruppe im Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) sei mit der Frage betraut, so Czaja. »Jedem, der bisher eine Wohnung nach Tagessätzen an Flüchtlinge vermietet hat, steht es frei, diese Wohnung künftig regulär an sie zu vermieten«, sagte der Senator. Wer sich zudem bis Ende April eine Genehmigung für den Betrieb einer gewerblichen Unterkunft geholt habe, könne diese künftig auch weiter führen.

Das gilt jedoch in der Regel nicht für Wohnungen, sondern für Hostels und Pensionen. »Auf der Weißen Liste für Wohnungen haben wir keinen einzigen Eintrag«, sagt von Dassel dem »nd«. Das ist gewollt: Wohnungen sollen nach Wunsch des Senats nicht mehr nach Tagessätzen vermietet werden. Rund 800 Hostels gibt es in Berlin, mit etwa 300 von ihnen hat oder hatte das LAGeSo vertragliche Vereinbarungen, teilte Czaja am Montag mit. Etwa 150 stehen auf der Weißen Liste derjenigen Einrichtungen, die ihre Betriebserlaubnis gegenüber dem Landesamt bereits bewiesen haben. Daneben führe die Senatsverwaltung eine rote Liste mit Hostels, an die keine Flüchtlinge mehr verwiesen werden, und eine schwarze Liste mit Betreibern, die noch nicht alle Unterlagen eingereicht haben. Wie viele Hostels auf diesen Listen stehen, wollte Czaja nicht sagen.

Von Dassel hält von diesen vielen Farben nichts. »Wir hören jeden Tag, dass Menschen aus Hostels geworfen werden.« Die landeten häufig in einer Notunterkunft am Messedamm, wo insgesamt 1000 Menschen Platz finden. »Wir lösen das Problem nicht, indem wir mehr Farben einführen.«

Immerhin: Um Neuankömmlinge muss sich Berlin derzeit kaum kümmern: Derzeit erreichen pro Tag lediglich 25 Menschen die Hauptstadt, die niedrigste Zahl seit dem Sommer.

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