»Wir müssen eine soziale Rebellion hinkriegen«

Landeschefin Özlem Demirel über den inoffiziellen Wahlkampfauftakt der LINKEN in Nordrhein-Westfalen / Partei veranstaltet am Wochenende in Düsseldorf einen Sozialgipfel

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 4 Min.

Die LINKE NRW lädt am Samstag in Düsseldorf zu einem Sozialgipfel. Neben dem einstigen Parteichef Oskar Lafontaine werden auch ver.di-Landes-Vorsitzende Gabriele Schmidt, der ATTAC-Aktivist Alexis Passadakis und der Ökonom Prof. Rudolf Hickel debattieren. Aber worüber?

Die LINKE trifft sich am Samstag mit Experten aus sozialen Bewegungen und kritischer Wissenschaft zu einem Sozialgipfel. Was versprechen sich die Experten davon?
Offenbar einiges. Wir haben auf unsere Anfragen eine große Resonanz erhalten und viele schnelle Zusagen. Wir wollen zuhören, andere Blickweisen gewinnen und gemeinsam mit den Experten analysieren, was in NRW falsch läuft und wie eine linke Antwort darauf ausschaut. Wir wollen mit Bündnispartnern debattieren, was die wichtigsten Themen sind. Was kann man beispielsweise gegen die galoppierende Armut tun?

Ist der Sozialgipfel Ihr offizieller Wahlkampfauftakt – 53 Wochen vor der nächsten Landtagswahl?
Nein. Wir werden die Ergebnisse aber mitnehmen in den Wahlprogramm-Prozess.

Ihr Gipfel ist mit den Worten »Zeit für Veränderung« überschrieben. Jungsozialisten und Partei-Senioren der NRW-SPD forderten unlängst eine »Kurskorrektur« hin zur »sozialen Gerechtigkeit«. Sind das potenzielle Bündnispartner?
Es ist ja erfreulich, wenn einige in der Partei nun einen fortschrittlicheren Kurs fordern. Aber solche Debatten werden stets kurz vor den Wahlen losgetreten. Im Regierungsalltag ist davon wenig zu spüren. Insofern stellt sich die Frage der Glaubwürdigkeit. Die rot-grüne Landesregierung lässt soziale Themen links liegen, seit die LINKE nicht mehr im Landtag vertreten ist und SPD und Grüne über eine eigenständige Mehrheit verfügen.

Gibt es in NRW einen rot-grün-roten Dialog?
Es gibt mit Sicherheit LINKE, die mit Menschen aus anderen Parteien sprechen. Aber es gibt keinen Dialog auf Ebene der Parteispitzen, nein. Und der grüne Fraktionschef Mehrdad Mostofizadeh sagt ganz offen, er wolle nicht über Rot-Grün-Rot debattieren, sondern die LINKE aus dem Landtag halten.

Die LINKE NRW galt einst als ultralinks und zerstritten, mithin als »Hort des Wahnsinns«. Nun heißt es, die Partei sei »befriedet«. Empfinden Sie das persönlich als Kompliment?
Entscheidend ist, dass wir als Partei handlungsfähig werden müssen. Die Menschen suchen nach Alternativen – allzu viele glauben, diese Alternativen im rechten Lager zu finden. Die AfD ist aber keine wirklich Alternative, sondern neoliberal, unsozial und nationalistisch. Wir müssen uns als LINKE zusammenreißen und eine echte Alternative sein.

Matthias Birkwald, Bundestagsabgeordneter der LINKEN aus Köln, fordert nun einen Mindestlohn von 12 Euro statt 8,50 Euro. Birgt das Stoff für Konflikte innerhalb der NRW-LINKEN?
Nein, er liegt damit in etwa auf Linie eines Beschlusses unseres Landesverbandes. Wir sagen: Der Mindestlohn muss bei 60 Prozent des Durchschnittseinkommens liegen, das entspricht in etwa 12 Euro. Insofern unterstütze ich den Vorschlag von Matthias Birkwald. Wir müssen in der Frage des Mindestlohns offensiver auftreten: Er ist lückenhaft und verhindert nicht Altersarmut.

Die Armutsquote ist im Ruhrgebiet, aber auch im Großraum Köln / Düsseldorf weit höher als im Bundesdurchschnitt. Warum ist die LINKE hier keine Volkspartei?
Wir arbeiten daran. Wir sind ja noch eine junge Partei...

… nun ja: auch die LINKE in NRW ist mittlerweile neun Jahre alt.
Ja, aber das ist ja keine ewige Zeit. Die Armut wird derzeit geduldet. Wir müssen eine soziale Rebellion hinkriegen. Das bedeutet zähe Bündnisarbeit. Und wir müssen die Menschen mitnehmen.

Wenn die Menschen das denn wollen... Die LINKE flog 2012 nach zwei Jahren aus dem Landtag. Was wird die künftige Fraktion anders machen?
Die alte Fraktion war unerfahren und hat nicht hinreichend deutlich gemacht, was sie bewirkte. Wegen uns gibt es die Möglichkeit, Oberbürgermeister wie Adolf Sauerland in Duisburg abzuwahlen. Dank uns wurden die Studiengebühren schneller abgeschafft, als Hannelore Kraft es plante. Doch das konnten wir nicht vermitteln. Künftig müssen wir unsere Erfolge den Menschen näher bringen und nicht nur gute Parlamentsarbeit leisten.

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