Erst Basis weg, nun Faymann weg

Österreichs Sozialdemokraten brauchen neuen Kanzler und Vorsitzenden

  • Hannes Hofbauer, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.
Überraschend trat am Montag Werner Faymann vor die Mikrofone und verkündete seinen Rücktritt als Kanzler und SPÖ-Chef.

Das Pfeifkonzert anlässlich der Rede Werner Faymanns zum Maiaufmarsch der SPÖ klingt einem noch in den Ohren. Viele Teilnehmer und Schaulustige fragten sich damals, ob sie wohl den letzten großen - vollkommen verpatzten - Auftritt des Kanzlers sahen. Es sollte nur noch ein weiterer kommen: die Ankündigung seines sofortigen Rücktritts acht Tage später.

Nach siebeneinhalb Jahren Kanzlerschaft gehört die Ära Faymann der Vergangenheit an. Sein »Danke-schön« am Ende seiner politischen Laufbahn klang ehrlich … und hilflos. »Ich bin stolz auf dieses Österreich«, meinte er in Anspielung auf das angeblich meisterhafte Management der Wirtschaftskrise und klopfte sich noch einmal auf die eigene Schulter. Die Unterstützung der Parteibasis hatte er allerdings in den vergangenen Monaten verloren. Deshalb, so seine eigenen Worte, »ziehe ich aus dem zu geringen Rückhalt in der Partei die Konsequenz und lege meine Funktionen als Bundeskanzler und Parteivorsitzender zurück«.

Ausgangspunkt der tiefen innerparteilichen Krise, die nun im kaum abgestimmten Rücktritt von Werner Faymann gipfelt, waren unüberbrückbare Differenzen in der Flüchtlingsfrage. Der Zickzack-Kurs der Regierung verschärfte diese noch. Junge, linke Sozialdemokraten waren es auch, die die Maifeiern nutzten, um gegen Faymann Stimmung zu machen. Auf der anderen Seite stehen Genossen aus den Arbeiterbezirken und einigen Bundesländern wie dem Burgenland und der Steiermark, für die der härtere Kurs gegenüber Flüchtlingen zu spät kam und zu inkonsequent ist. Viele von ihnen kehrten der Sozialdemokratie den Rücken und wandten sich der FPÖ zu.

Der Sieg des FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer bei der ersten Runde der Bundespräsidentenwahl gab dann wohl innerparteilich den Ausschlag, dass es so - auch personell - nicht weitergehen kann. Werner Faymann ist ein Opfer der FPÖ-Erfolge, sein Rücktritt das Eingeständnis, darauf keine Antwort zu wissen.

Wie es nun in Regierung und Sozialdemokratie weitergehen soll, darüber wird in den Parteigremien heftig diskutiert. Dies ist insofern äußerst ungewöhnlich, als dass Faymanns Rücktritt offensichtlich auch seine engsten Mitarbeiter überrascht hat und keine Vorsorge für einen reibungslosen personellen Übergang getroffen werden konnte. Eine der entscheidendsten Fragen, der sich die SPÖ wird stellen müssen, ist der Umgang mit der immer erfolgreicher auftretenden FPÖ.

Vor 30 Jahren gab der damalige SPÖ-Vorsitzende Franz Vranitzky die Devise aus, mit den Freiheitlichen keine politischen Partnerschaften einzugehen. Dieser Kurs der Ausgrenzung hat im Jahr 2000 zur rechts-rechten Regierung Schüssel geführt und wird heute auf Gemeinde- und Landesebene auch in der SPÖ nicht mehr ernst genommen. Vranitzky selbst meinte vor einer Woche in einem Zeitungsinterview, dass seine damalige Doktrin heute überholt sei. Eine Annäherung der SPÖ an die FPÖ ist also kein Tabu mehr. Faymanns Rücktritt, ausgelöst von Pfiffen der Linken zum 1. Mai, könnte ironischerweise den Weg zu mehr Gesprächsbereitschaft in Richtung FPÖ ebnen.

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