NRW-Koalition schont eigenen Minister

SPD-Mann Ralf Jäger weist im Untersuchungsausschuss Vertuschungsvorwürfe zur Kölner Silvesternacht zurück

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zu den Straftaten in der Kölner Silvesternacht lässt die wichtigste Frage weiter unbeantwortet: Wie konnte die Polizei die Straftaten nur übersehen?

Zum fünfzehnten Mal tagte der Parlamentarische Untersuchungsausschuss »Silvesternacht 2015« am Montag im Düsseldorfer Landtag, als zum ersten Mal jener Mann vernommen wurde, der im Zentrum der Kritik steht: Ralf Jäger, einst als Kronprinz von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (ebenfalls SPD) gehandelt. Dank diverser asyl- und sicherheitspolitischer Skandale ist er mehr als angeschlagen.

Positiv formuliert: Jäger hat Routine darin, kritische Ausschussfragen ausweichend zu beantworten. Grüne und Sozialdemokraten leisteten ihm erneut Schützenhilfe mit scheinheiligen Fragen. CDU, FDP und Piraten attackierten den gelernten Kaufmann. Der wähnte sich - wie stets - fehlerfrei.

Nein, weder Polizei noch Innenministerium hätten im Zusammenhang mit der Kölner Silvesternacht versagt oder auch nur Tatsachen verheimlicht. Jäger wies vor dem Untersuchungsausschuss den Vorwurf zurück, die massenhaften Straftaten in der Silvesternacht in Köln und anderswo und ein etwaiges Versagen der Polizei vertuscht zu haben. Im Vorfeld sei das Phänomen nicht vorhersehbar, im Nachhinein sein Ausmaß nicht unmittelbar erkennbar gewesen.

Sollte auf politisches Geheiß der Begriff »Vergewaltigung« aus einem Polizeibericht gestrichen werden, wie zwei Zeugen behauptet hatten? Solche Vertuschungsvorwürfe seien »aus der Luft gegriffen«, behauptete Innenminister Jäger. Auch seien seinem Hause keine Planungsversäumnisse vorzuwerfen, so der Sozialdemokrat. Versagt habe allenfalls die für die Einsatzplanung zuständige Kölner Polizeispitze - deren Präsidenten Wolfgang Albers hatte Jäger bereits am 8. Januar dieses Jahres ersetzt.

Bei all den Details und Nebenaffären um »Maulwürfe« und »Einflussnahmen«, um Zitate und Telefonate, bei all den Fragen zu einzelnen Formulierungen und Widersprüchen in den dicken Akten, die der Ausschuss mittlerweile abarbeitet, bleibt eine Frage stets unbeantwortet: Wie konnte die Polizei all die Straftaten in der Silvesternacht übersehen? Nach Aussagen der Einsatzleiter von Landes- wie Bundespolizei ist das den eingesetzten Beamten höchst peinlich. Doch was erklärt das Komplettversagen der Staatsmacht gegen einen entfesselten Männermob?

Die Polizei sei vor Ort zu schwach gewesen, um allen Frauen zu helfen, räumte Jäger immerhin ein. Das wollte er indes nicht als Selbstkritik verstanden wissen: »Hätte eine der beteiligten Behörden ahnen können, was passiert, dann hätte es mehr Einsatzkräfte gegeben«, betonte der Politiker, qua Amt oberster Dienstherr der Polizei in NRW. Außerdem habe die Einsatzleitung vor Ort es versäumt, Verstärkung anzufordern.

In der Neujahrsnacht kam es in Köln, aber auch in anderen deutschen Städten zu massenhaften sexuellen Übergriffen und Diebstahldelikten aus Männergruppen. Die Tatverdächtigen sind weit überwiegend Marokkaner und Algerier, seltener Syrer. Sie sind meist Asylbewerber oder halten sich nach geltendem Recht illegal in Deutschland auf. Laut Polizeianalysten sei das Phänomen in Deutschland neu gewesen. Ähnliche Gewaltphänomene sind aus arabischen Ländern, zum Beispiel gegen Frauen der ägyptischen Demokratiebewegung, bekannt. »Taharrush gamea« lautet der arabische Begriff für gemeinschaftlich begangene sexuelle Belästigung. Diese Straftaten wurzelten »in der Tradition einer orientalisch-patriarchalischen Kultur«, schrieb unlängst der deutsch-syrische Politologe Bassam Tibi.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal