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Mehr neben- als miteinander

Entwurf zur gemeinsamen Landesplanung Berlin-Brandenburg verabschiedet

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
20 Jahre nach dem Scheitern der Länderehe hat Brandenburgs Landesregierung den Entwurf für den neuen Landesentwicklungsplan für die Hauptstadtregion (LEP HR) auf den Weg gebracht.

Den Wirtschafts- und Sozialraum können nur beide Länder gemeinsam gestalten, sagte am Dienstag LINKE-Landtagsfraktionschef Ralf Christoffers. Dennoch sei wahrnehmbar, dass sich die Berliner Interessen stärker auf das Eigene und Städtische konzentrieren und »der Außenraum eine eher untergeordnete Rolle« spielt. Dies sei keine neue Erscheinung, sondern seit »einigen Jahren zu beobachten«. Dabei gebe es durchaus innerstädtische Entscheidungen, die »Druck auf das Umland« ausüben. Man müsse also einen Interessenausgleich herstellen.

Aus Sicht seiner Fraktion müssten jetzt Planungsentscheidungen fallen, die Bedeutung für eine 10- bis 15-jährige Entwicklung haben. Zum einen gehe es darum, den Gemeinden innerhalb des Autobahnrings Entwicklungsmöglichkeiten einzuräumen, die sie zuvor nicht hatten. Voraussetzung dafür, dass Gemeinden mehr Flächen als Siedlungs- und Wirtschaftsflächen entwickeln können, sei der Ausbau der Bahnanschlüsse. Weder gehe es darum, Wälder und Parks nun abzuholzen, noch, großflächig landwirtschaftliche Nutzfläche zu opfern, sagte Christoffers. Es gebe genug innerstädtisch Abrundungsmöglichkeiten, allerdings müsste es den Gemeinden gestattet sein, sie auch zu nutzen. »Da brauchen wir Konzepte.« Nicht zu trennen davon seien Entscheidungen, inwieweit Mittelzentren im Siedlungsbereich Einzelhandelsflächen ausweisen dürfe.

Das Tauziehen darum gehörte zu den ersten Auseinandersetzungen nach der politischen Wende in der DDR. Berlin ging damals wie selbstverständlich davon aus, dass Brandenburger zum Einkaufen in die Großstadt fahren und dort auch die anfallenden Steuern lassen. Später wurden dann im Umland doch einige große Einkaufzentren, wie etwa das A-10-Center bei Wildau und das Potsdamer Stern-Center, eröffnet - sehr zu Ärger von Berlin.

Für die Grünen sagte Fraktionschef Axel Vogel, es habe in der bisherigen Landesplanung Grenzen für eine ungebremste Entwicklung gegeben. »Wir halten sie für gerechtfertigt«, sagte er. Wenn die künftige Vorgabe der Landesplanung darin bestünde, die Entwicklung entlang der Bahnlinien (Verkehrsachsen) voranzutreiben, sei dies richtig. Berlin habe die innere Tendenz, mehr oder weniger einen Siedlungsbrei entstehen zu lassen, was sich auch jenseits der Landesgrenzen bemerkbar mache. Gemeinden wie Kleinmachnow, die praktisch nur aus Einfamilienhäusern bestünden, seien kein wünschenswertes Entwicklungsziel.

Man müsse verhindern, dass wie im Ruhrgebiet die Grenzen zwischen den einzelnen Großkommunen verschwimmen, sagte SPD-Fraktionschef Mike Bischoff. Ein solcher Siedlungsbrei sei nicht Ziel der Planung. Und wenn Berlin auch eigene Interessen verfolge, so sei die Stadt aber eben auch Partner. Der gemeinsame Beschluss über eine länderübergreifende Landesplanung sei »ein starkes Signal«. Zu denken sei auch an die »zweite Reihe« der Kommunen um Berlin, die durchaus so entwickelt werden könnten, dass »nicht alles in einem großen verdichteten Speckgürtel« fließe.

Nachdem 1996 die Länderfusion gescheitert war, zeigte sich, dass Berlin und Brandenburg keineswegs natürliche Partner waren. Doch immerhin wurden vor einigen Jahren die dritten Fernsehprogramme zusammengelegt, wurde aus SFB und ORB der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb). Gemeinsame Landesgerichte entstanden ebenfalls, auch hinsichtlich der Krankenhausplanung gelten Absprachen.

Alles in allem: Wenn es hoch kommt, dann reicht es für ein desinteressiertes Nebeneinander. Erreicht ist ein Stadium, in dem selbst die Spitzenbeamten ungeschminkt die Wahrheit aussprechen: So veröffentlichten sie vor einiger Zeit den Bericht zum Stand der beiderseitigen Beziehungen, in dem ganz unverblümt schon auf Seite Eins von »nachlassendem Interesse an der Berlin-Brandenburg-Thematik« die Rede ist. Es fehle eine weitergehende Perspektive beider Länder, die auch bei deren Bürgern mehrheitsfähig ist.

Größtes und stabilstes Bindeglied beider Länder sind die Pendler. 2015 fanden rund 190 000 Brandenburger in Berlin Arbeit, pendelten 78 000 Berliner in die Mark. Gemeinsam trägt man freilich - wenn auch eher unfroh - manche Last: So verantworten beide gemeinsam mit dem Bund das Flughafendesaster BER.

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