Hollande lässt wieder per Dekret regieren

Trick 49.3: Französische Regierung will umstrittene Reform des Arbeitsmarktes ohne Parlamentsbeschluss durchdrücken / Ausnahmezustand vom Senat verlängert

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Berlin. Mangels eigener Mehrheit will die sozialdemokratische Regierung in Frankreich ihr umstrittenes Arbeitsmarktgesetz mit einem Verfassungstrick durchdrücken. Premierminister Manuel Valls griff dazu am Dienstag wie bereits bei einer Wirtschaftsreform 2015 auf eine besondere Regelung in der Verfassung zurück. Damit gilt das Gesetz in erster Lesung als angenommen, sofern die von der Opposition gestellte Vertrauensfrage erfolglos bleibt. Kritiker etwa bei Gewerkschaften oder im linken Spektrum auch der regierenden Sozialdemokraten kritisieren, die Reform werde Beschäftigtenrechte aufweichen. Seit Monaten gehen Abertausende dagegen auf die Straße - vor allem Gewerkschaften und viele Jüngere. Auch die linke Graswurzelbewegung Nuit debout ist nicht zuletzt wegen der neoliberalen Deregulierungspolitik von Präsident Francois Hollande beinahe jede Nacht auf der Straße.

Valls bezeichnete die Pläne dagegen als wichtig für die Modernisierung des Landes. Die Regierung habe bereits auf Kritik reagiert und Teile der Reform verändert. Zur Sicherung von Wachstum und Arbeitsplätzen in einer sich grundlegend verändernden Welt seien die Maßnahmen aber notwendig. Über die Vertrauensfrage soll am Donnerstag abgestimmt werden. Das Kabinett hatte Valls am Dienstag in einer Sondersitzung mit freie Hand für den anschließenden Verfassungsschritt gegeben. Unternehmen und Beschäftigte sollen künftig bestimmte Regeln zur Arbeitszeit auf Betriebsebene aushandeln können. Umstritten sind auch die neuen Regeln, unter welchen Bedingungen Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen möglich sind.

Anfang 2015 war auch die Wirtschaftsreform des bei linken Sozialdemokraten wenig beliebten Ministers Emmanuel Macron nur mit Hilfe der in Frankreich kurz »49.3« genannten Verfassungsregelung durch das Parlament gekommen. Die Regierung nutzte sie zur Durchsetzung von Deregulierung etwa bei der Sonntags- und Feiertagsarbeit in allen drei Lesungen der Nationalversammlung und überstand die jeweils folgenden Vertrauensabstimmungen. Am Dienstag protestierten spontan Hunderte Menschen vor der Nationalversammlung gegen den Versuch, die Parlamentsentscheidung zu umgehen.

Bereits gebilligt hat der französische Senat eine Verlängerung des umstrittenen Ausnahmezustandes für die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich in diesem Sommer gebilligt. Die Senatoren stimmten am Dienstag in Paris mit großer Mehrheit für eine erneute Verlängerung des nach den Anschlägen vom 13. November ausgerufenen Notstandes. Die Nationalversammlung muss noch in der kommenden Woche grünes Licht geben, erwartet wird ebenfalls eine breite Mehrheit. Staatschef Hollande hatte den Ausnahmezustand, der den Behörden im Anti-Terror-Kampf umfassende Sonderrechte einräumt, nach den Pariser Anschlägen mit 130 Toten ausgerufen. Er wurde seitdem zwei Mal verlängert und würde eigentlich am 26. Mai auslaufen. Agenturen/nd

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