Koalition streitet über Rehabilitierung Homosexueller

Bundesjustizminister deutet Differenzen innerhalb der Regierung zu den Opfern des Paragrafen 175 an / Heiko Maas will Urteile gegen 50.000 Männer aufheben / LINKE und Grüne fordern schnelle Umsetzung der Pläne des SPD-Ministers

  • Lesedauer: 2 Min.
Nachdem Bundesjustizminister Maas (SPD) am Mittwoch die Verurteilung homosexueller Männer nach Paragraf 175 als »Unrecht« bezeichnet hat, herrscht innerhalb der Bundesregierung noch keine Einigkeit über eine Rehabilitierung.

Berlin. In der Bundesregierung gibt es nach Ansicht der Grünen keinen Konsens über die von Justizminister Heiko Maas (SPD) angekündigte Rehabilitierung der Opfer des Homosexuellen-Paragrafen 175. Der Grünen-Abgeordnete Volker Beck sagte dazu: »Es besteht die Gefahr, dass die Ankündigung des Justizministers nur heiße Luft war.« Beck appellierte an die Parteien der großen Koalition, die Rehabilitierung der mehr als 50.000 verurteilten homosexuellen Männer unverzüglich auf den Weg zu bringen.

»Man darf bei diesem wichtigen Anliegen nicht auf Zeit spielen. Je länger man wartet, umso weniger Opfer des Paragrafen 175 erreicht man mit der Rehabilitierung«, sagte Beck weiter. Der Paragraf war 1969 entschärft, aber erst 1994 komplett abgeschafft worden. Einen Zeitplan für ein neues Gesetz zur Rehabilitierung und Entschädigung Betroffener gibt es noch nicht.

Maas hatte am Mittwoch indirekt auf Meinungsverschiedenheiten in der Koalition hingewiesen. Er sagte: »Wir können nur an alle politischen Stimmen appellieren, die sich bislang mit diesem Thema schwer getan haben, es jetzt nicht zum politischen Grabenkampf zu missbrauchen. Unsere gemeinsame Verantwortung gegenüber den Betroffenen sollte im Vordergrund stehen.«

Vonseiten der Linksfraktion zeigte sich der queerpolitische Sprecher Harald Petzold »außerordentlich erfreut über die klaren Worte des Gutachtens der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, das die Rehabilitierung der nach §175 Verfolgten in der Bundesrepublik juristisch keineswegs als Kann-Bestimmung bezeichnet, sondern ausdrücklich als gesetzgeberische Verpflichtung«.

Es sei höchste Zeit, der jahrzehntelangen Ignoranz ein Ende zu setzen, sagte Petzold weiter: »Den Menschen, deren Würde massiv verletzt wurde und die gesellschaftlichen und sozialen Nachteilen ausgesetzt waren, muss nun schnellstens per Aufhebungsgesetz die Rehabilitierung ermöglicht werden.« Außerdem müsse ein Entschädigungsverfahren etabliert werden, das einfach zugänglich sei und ohne weitere staatliche Eingriffe in die Intimsphäre der Betroffenen ausgeführt werde.

Die Forderungen des Gutachtens, wonach ein kollektiver Fonds errichtet werden soll, anstatt langwierige Einzelfallprüfungen vorzunehmen, müsse die Bundesregierung ernst nehmen. Die Rehabilitierung der Opfer des §175 müsse unbedingt noch in dieser Legislaturperiode erfolgen. dpa/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal