Ein Müller, der das Herz stärkt

Eigentümer von Mühlen müssen Liebe zum Denkmal mit Geschäftsgeist verbinden

  • Hendrik Lasch, Elstertrebnitz
  • Lesedauer: 3 Min.
Liebe zu Technik und altem Handwerk lässt zum Mühlentag an Montag wieder Tausende ausschwärmen. Besitzer der historischen Anlagen brauchen darüber hinaus eine große Portion Geschäftsgeist.

Was produzierten Mühlen? Ein paar Antworten liegen auf der Hand: Mehl. Bretter und Balken. Holzschliff, aus dem Papier entstand. Manche Mühlen treiben Pochwerke an, mit denen Silber geschmiedet oder Knochen zu Dünger zerstampft wurden. Die Eisenmühle in Elstertrebnitz allerdings ist ein besonderer Fall: Sie stärkt Herz und Kreislauf. Das Eisenpulver, das in dem Betrieb ab 1915 hergestellt wurde, wurde zwar vielfältig verwendet, doch Arzneimittelhersteller seien die wichtigsten Abnehmer gewesen, sagt Jost Mucheyer: »Bis in die USA wurde das Pulver einst exportiert.«

Als Mucheyer gemeinsam mit seiner Frau Sabine die von einem Mühlgraben der Weißen Elster gespeiste Mühle im Süden von Leipzig im Jahr 2007 kaufte, war das Geschichte. Die 16 Reibeanlagen, auf denen binnen sechs Wochen jeweils vier Zentimeter starke Stahlbänder zu feinstem Pulver zerrieben wurden, waren noch bis 1993 in Betrieb gewesen; danach war die archaisch anmutende Technologie nicht mehr konkurrenzfähig. Aus dem Produktionsbetrieb, in dem man vor dem Eisen schon Jahrhunderte lang Getreide gemahlen hatte, war ein Denkmal geworden - so wie viele andere Säge- und Brett-, Bock- und Holländerwindmühlen im Land.

Am Montag sind viele von ihnen wieder für Besucher geöffnet; bereits zum 23. Mal findet bundesweit der Mühlentag statt. Er soll eine breite Öffentlichkeit auf diese Zeugen der Technikgeschichte aufmerksam machen und für ihren Erhalt begeistern, sagt Erhard Jahn, Präsident der Deutschen Mühlengesellschaft. Mit der Kulturgeschichte des Menschen seien Mühlen »auf das Engste verbunden«, fügt Bettina Böhme vom Sächsischen Mühlenverein an: »Sie waren die ersten Arbeitsmaschinen, in denen Muskelkraft durch natürliche Energie aus Wind und Wasser ersetzt wurde.«

Mit dem Mühlentag werden freilich quasi offene Scheunentore eingerannt; zur Eisenmühle, die als einzige ihrer Art in Deutschland und vermutlich auch in Europa erhalten ist, strömten bereits bei der zweiten Teilnahme am Mühlentag rund 3000 Besucher. Technikfans, bei denen ein Zahnradgetriebe oder der Duft nach Maschinenöl die Augen leuchten lässt, sind von den Anlagen ebenso fasziniert wie vom »Landlust«-Virus infizierte Städter mit einem Faible für Handgemachtes. In einer Mühle, sagt Jahn, »fühlt man sich sofort in eine andere Zeit versetzt.«

Für viele Besucher ist das Antrieb genug; für die Eigentümer der alten Anlagen indes reichen Nostalgie oder Begeisterung für alte Technik in aller Regel nicht aus. Sanierung und Erhalt verschlingen oft erhebliche Summen; zugleich »kann man mit einer historischen Mühle heute nichts mehr verdienen«, sagt Jahn. Zwar gibt es nach Angaben Böhmes in Sachsen etwa 40 Getreidemühlen, die - wie die Rollemühle Waldkirchen - noch ihrer ursprünglichen Bestimmung dienen. Auch einige Sägewerke und Ölmühlen werden weiter kommerziell betrieben. Die Regel aber, sagt Jahn, seien funktionsfähige Schauanlagen, die viel kosten und nichts einspielen.

Bei den Mühlenbesitzern ist daher Geschäftsgeist gefragt. Ein vom Sächsischen Mühlenverein erarbeitetes, in der Edition Leipzig erschienenes Buch über »Mühlenromantik in Sachsen« verweist bei vielen der 160 beschriebenen Mühlen auf eine gastronomische Nutzung. In manchen, wie der Turmwindmühle Sohland, kann man übernachten. Auch Jost und Sabine Mucheyer haben in der Eisenmühle ein Landhotel eröffnet. Zudem werden der alte Maschinensaal und andere Räume für Feiern und Feste vermietet. »Man kann solche Mühlen nur mit einer sinnvollen Nutzung erhalten«, sagt Mucheyer: »Da sind wir immer noch in Bewegung.«

Zumindest für Wassermühlen liegt eine weitere Einnahmequelle nahe: die Stromerzeugung. Er habe »eine Immobilie gesucht, die zu ihrem Unterhalt beiträgt«, sagt Mucheyer. Allerdings stoßen die Wehre auf Widerstand von Anglern und manchen Umweltschützern. Zudem wurden sie vom Freistaat durch eine horrende Abgabe für die Wasserentnahme geschröpft. Die soll, so ist zu hören, indes kurz vor der Abschaffung stehen. Den Herzen der Wassermüller ist das noch zuträglicher als Eisenpulver.

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