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Hamburger Gericht verbietet Passagen des Jan Böhmermann Gedichts

  • Lesedauer: 3 Min.
Das Landgericht Hamburg hat Teile des Gedichtes von Jan Böhmermann über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan verboten. Die Richter untersagten dem Moderator, bestimmte Passagen noch einmal vorzutragen.

Hamburg. Das Landgericht Hamburg hat Teile des Gedichtes »Schmähkritik« von Jan Böhmermann über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan verboten. Wie das Gericht am Dienstag mitteilte, untersagten die Richter dem ZDF-Moderator in einer einstweiligen Verfügung, bestimmte Passagen noch einmal vorzutragen. Wegen ihres »schmähenden und ehrverletzenden Inhalts« müsse Erdogan diese nicht hinnehmen. Böhmermanns Anwalts Christian Schertz kritisierte den Beschluss. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Hinsichtlich der übrigen Teile des »Schmähgedichts« wurde der Antrag Erdogans aber zurückgewiesen. Erlaubt ist nun etwa weiterhin die Zeile »Sackdoof, feige und verklemmt / ist Erdogan der Präsident«. Allerdings wurde der überwiegende Teil des Gedichts verboten.

Satire finde ihre Grenze, wenn es sich um reine Schmähung oder »Formalbeleidigung« handle oder die Menschenwürde angetastet werde, begründete das Gericht die Entscheidung. Diese Grenze sei durch bestimmte Passagen des Textes verletzt worden. Zwar gelte für einen satirischen Beitrag eine »großzügiger Maßstab«, dieser berechtige aber »nicht zur völligen Missachtung der Rechte des Antragstellers«. Das Gericht sprach in diesem Zusammenhang vom »Aufgreifen rassistisch einzuordnender Vorurteile« und »religiöser Verunglimpfung«. Zudem verwies es auf die »sexuellen Bezüge des Gedichts«.

Andere Teile setzten sich dagegen in zulässiger Weise satirisch mit aktuellen Vorgängen in der Türkei auseinander. Harsche Kritik müsse sich Erdogan als Staatsoberhaupt gefallen lassen. Er müsse auch hinnehmen, dass sich Böhmermann über seinen Umgang mit der Meinungsfreiheit lustig mache.

Der Berliner Anwalt Schertz sprach von einer falschen Entscheidung, auch wenn die Aussagen über den Umgang Erdogans mit der Meinungsfreiheit in der Türkei für zulässig erachtet worden seien. Der Fehler bestehe darin, »das Gedicht zu sezieren« und bestimmte einzelne Aussagen herauszugreifen und zu verbieten. Das gehe im Bereich der Kunst nicht, das Gedicht müsse als Einheit betrachtet werden, argumentierte Schertz. Auch sei der Kontext der Sendung nicht berücksichtigt worden.

Böhmermann hatte das Gedicht Ende März in seiner Sendung »Neo Magazin Royale« (ZDFneo) vorgetragen. Dabei hatte er mehrfach ausdrücklich daraufhin gewiesen, was als Satire in Deutschland erlaubt und was nicht erlaubt sei.

Der Jurist Schertz kündigte die Prüfung weiterer Rechtsmittel an, notfalls wolle er eine Entscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht erwirken: »So kann die Entscheidung keinen Bestand haben.«

Das zivilrechtliche Verfahren in Hamburg ist unabhängig von Ermittlungen der Mainzer Staatsanwaltschaft. Diese prüft derzeit, ob sich Böhmermann der Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter nach Paragraf 103 des Strafgesetzbuches schuldig gemacht hat. Für das Strafverfahren war eine Ermächtigung der Bundesregierung nötig. Nach dem politischen Wirbel um das Böhmermann-Gedicht plant die Regierung, den speziellen Beleidigungsparagrafen zugunsten ausländischer Politiker zu streichen. epd/nd

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