nd-aktuell.de / 27.05.2016 / Politik / Seite 6

Werbeerfolge für Petry und Co.

Für Olaf Sundermeyer hat das Zentralkomitee der deutschen Katholiken mit dem Ausschluss der AfD vom Katholikentag das Gegenteil von dem erreicht, was es beabsichtigt hatte.

Olaf Sundermeyer

Bei den Worten des Berliner Erzbischofs Heiner Koch dürften sie in der Parteizentrale der rechtspopulistischen AfD spontan in die Hände geklatscht haben: Die Partei solle nicht zu einem zentralen Thema des Katholikentages werden, sagte er in dieser Woche im Inforadio des rbb: »Wir sprechen mit den Leuten, wir möchten gerne mit Ihnen sprechen, wir wollen aber den Katholikentag nicht darauf reduzieren lassen«, sprach der Kirchenmann, und sorgte dafür, dass ebendies passieren würde. Zumindest in den Augen der vielen Menschen, die keinerlei religiösen Bezug zu diesem Ereignis in Leipzig und auch sonst kein Interesse daran haben. In der Messestadt leben 4,3 Prozent Katholiken: Gegen diese Minderheit fühlt sich das rechtspopulistische Lager um die AfD in Sachsen wie eine Volkspartei an.

Weil aber der Zentralrat der Katholiken bereits im Vorfeld AfD-Politiker von den Diskussionen des Deutschen Katholikentages pauschal ausgeschlossen hatten, wurden die Rechtspopulisten erst zum zentralen Thema der Vorberichterstattung. Dabei rückte das nachvollziehbare Motiv für diese bewusste Ausgrenzung in den Hintergrund: Die AfD sei islamophob, und es seien religionsfeindliche Züge erkennbar. Sylvia Löhrmann, Mitglied des Zentralkomitees und Bildungsministerin aus NRW, untermauerte die Begründung noch im Gespräch mit dem Deutschlandfunk, wo sie den Hinweis gab, dass sich die Haltungen der Kirche und der AfD diametral entgegenstehen würden: »Die Kirche steht für eine humane Flüchtlingspolitik«, sagte die Grünen-Politikerin. »Die AfD bekämpft das und ist in Teilen fremdenfeindlich.« Damit liegt sie zwar richtig, aber den Schluss, den das Zentralkomitee daraus gezogen hatte, war der falsche. Denn er sorgte für das Gegenteil: für eine Aufwertung der AfD.

Diese konnte binnen weniger Tagen ihren zweiten großen Werbeerfolg mit Unterstützung religiöser Standesvertreter verbuchen: Vor allem im weitgehend säkularen Osten der Republik profitiert sie davon. Zwischen Usedom und Rennsteig wachsen ihre Zustimmungswerte stetig. In Brandenburg kam sie bei einer aktuellen Infratest-Umfrage in dieser Woche auf 20 Prozent - und zog damit erstmals an der LINKEN vorbei (17 Prozent). Passend dazu erklärte der dortige AfD-Landesvorsitzende Alexander Gauland, dass die AfD überhaupt keine religiöse Partei sei. Gleichwohl nutzt ihr der religionspolitische Diskurs.

Erst zu Wochenbeginn hatte der Zentralrat der Muslime der AfD bei der Umsetzung eines kalkulierten Skandals geholfen: Als sich ihr Vorsitzender Aiman Mazyek zunächst mit der AfD-Spitze im noblen Berliner Regent-Hotel vor der versammelten Hauptstadtpresse traf und Parteichefin Frauke Petry das angekündigte Versöhnungsgespräch zwischen den Islamvertretern und den Islamfeinden etwa eine Stunde nach Beginn wieder abbrach. Unter dem Vorwand, dass Mazyek dabei bleibe, dass die AfD als erste Partei seit der NSDAP eine ganze Religion verunglimpfe. Beide - Mazyek, dessen Verband lediglich 40 000 Muslime in Deutschland vertritt, und Petry - hatten die große Bühne: Die AfD hat sie für sich genutzt und es wieder einmal auf die Titelseiten geschafft. Wie ihr das jeweils gelingt, ist einerlei. Längst gehören die AfD-Spitzen zu den bekanntesten Gesichtern im Land. So ist Alexander Gauland in Brandenburg mehr Menschen bekannt, als der stellvertretende Ministerpräsident Christian Görke (Linkspartei). Das bringt automatisch Zustimmung. Und die Opferrolle der Ausgegrenzten stärkt sie obendrein, zumal sich ihre Anhänger selbst als politisch Unberücksichtigte sehen.

Hätte sich das Zentralkomitee auf seinem Katholikentag einfach sachlich mit den AfD-Politikern auseinandergesetzt, die hier und dort sicher erschienen wären: Die Partei hätte davon viel weniger profitiert. Zumal die menschenfeindliche Geisteshaltung, für die sie steht, sowie ihre Sympathisanten und Mitglieder ohnehin in jeder gesellschaftlich relevanten Gruppe vertreten sind - also auch unter den Katholiken bei diesem Kirchenereignis. Sie sind einfach da. Und man muss sich mit ihnen auseinandersetzen. Das hat Armin Nassehi in der öffentlich geführten Debatte um den Katholikentag treffend formuliert: »Aus religiöser Perspektive würde man sagen, es kann keine Unberührbaren geben«, sagte der Münchner Soziologe: »Leute, die auch solche Positionen vertreten, sollte man hören und vielleicht argumentativ so weit bringen, dass sie von ihren Sätzen abweichen können.«