nd-aktuell.de / 07.06.2016 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 4

Solide

Personalie: Barbara Hendricks wirkt manchmal schroff und schnoddrig.

Reimar Paul

Die Atomkatastrophe von Tschernobyl brachte auch für Deutschland eine Zäsur. Obwohl gesundheitliche Folgen offiziell geleugnet wurden, schuf die Bundesregierung wenige Wochen nach dem Unglück ein Umweltministerium. Erster Hausherr wurde Walter Wallmann (CDU). Seine sechs Nachfolger haben mehr (Klaus Töpfer, Jürgen Trittin) oder weniger (Angela Merkel, Sigmar Gabriel Norbert Röttgen, Peter Altmaier) tiefe umweltpolitische Spuren hinterlassen, doch führte das Amt insgesamt zu einer Aufwertung des Umweltschutzes.

Seit Ende 2013 ist Barbara Hendricks Bundesumweltministerin. Zum Amtsantritt entriss ihr Parteichef Sigmar Gabriel die Zuständigkeit für Erneuerbare Energien und holte sie zu sich, zur Wirtschaft. Hendricks muss derweil nach einem Atommüll-Endlager suchen - womit politisch wenig zu gewinnen ist - und das dünne Kapitel Umwelt im schwarz-roten Koalitionsvertrag abarbeiten.

Für außergewöhnliche Kenntnis ökologischer Zusammenhänge und Glamour im Amt stand die Sozialdemokratin, Katholikin und promovierte Historikerin zunächst nicht, sie verwaltete das Ministerium zurückhaltend und solide. In Talkshows zeigte sie sich aber auch schon schroff und schnoddrig. So nannte sie Ex-Bundespräsident Christian Wulff einmal »selbstgerecht, dick, fett und bräsig«.

Dass es umweltpolitisch kaum voran geht, liegt jedoch weniger an ihr, als daran, dass die Atom-, Kohle- und Autolobbys den Klimaschutz blockieren. Hendricks hat sich in ihrer zweieinhalbjährigen Amtszeit in komplexe Zusammenhänge etwa in Atom- und Klimapolitik eingearbeitet und vertritt im Vergleich zu anderen Kabinettskollegen durchaus konsequente Positionen.

Das Umweltministerium feierte sein 30-jähriges Bestehen am Montag mit einem Festakt. Hendricks erneuerte dabei ihr Versprechen, 2016 - beziehungsweise in dem Rest, der davon noch bleibt - zu einem Debattenjahr über den Umweltschutz zu machen. Sie will dazu den Dialog mit allen relevanten Akteuren pflegen. Die Ökologiebewegung sollte sie beim Wort nehmen.