Wer zahlt für die Kohlewüsten?

Studie: Folgekosten für Tagebaue nicht durch Rückstellungen gedeckt

  • Sandra Kirchner
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach dem Ende der Braunkohle werden ganze Landstriche Mondlandschaften gleichen. Deren Sanierung kostet Milliarden.

Einen Tagebau stillzulegen kostet Milliarden. In der Lausitz hat man Erfahrung mit der leidigen Angelegenheit: Über zehn Milliarden Euro hat der Bergbausanierer LMBV für die Sanierung stillgelegter Tagebaue ausgegeben. »Die Behörden haben die Folgekosten notorisch unterschätzt«, sagte Axel Kruschat vom BUND Brandenburg am Dienstag in Potsdam.

Für die drei bestehenden Braunkohlereviere mit ihren zwölf Tagebauen sind das keine guten Aussichten. Besonders, wenn die Finanzierung auf wackligen Beinen steht: Nur 3,2 Milliarden Euro haben Vattenfall, RWE und Mibrag für die Beseitigung der Folgeschäden veranschlagt. Viel zu gering und zudem nicht ausreichend abgesichert sind die bisherigen Rückstellungen, bestätigt nun eine Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) und des Potsdamer Nachhaltigkeitsinstituts IASS, die von mehreren Umweltorganisationen und politischen Stiftungen in Auftrag gegeben wurde.

Den Braunkohleförderern wird es demnach zu leicht gemacht. RWE, Vattenfall und Co müssen sich lediglich am Handelsgesetzbuch orientieren, besondere Vorgaben gibt es nicht. »Die Berechnungen der Unternehmen sind eine Black Box«, klagte Rupert Wronski vom FÖS. Die Autoren der Studie fordern deshalb von der Bundes- und den Landesregierungen, unabhängige Kostengutachten in Auftrag zu geben. »Die Folgekosten der Braunkohle müssen detailliert untersucht und die Rückstellungen der Unternehmen einer öffentlichen Transparenzkontrolle unterzogen werden«, so Dominik Schäuble vom IASS.

Doch selbst wenn die Berechnungen der Rückstellungen transparenter werden, ist nicht gesichert, dass das Geld in Zukunft tatsächlich verfügbar ist. Denn wie die Konzerne die Rückstellungen anlegen - bei der Bank, in Kraftwerke oder in Unternehmensanteilen - bleibt ihnen überlassen. Zudem erzielen Stromerzeuger derzeit gerade mal 20 Euro für eine Megawattstunde Strom. »Das ist für Braunkohle nicht mehr kostendeckend«, sagte Stefanie Langkamp von der Klima-Allianz.

Gewinnaussichten gibt es bei der Braunkohle ohnehin nicht mehr. Eigentlich hatte Vattenfall für seine deutsche Braunkohlesparte zwei bis drei Milliarden Euro verlangt. Nachdem aber die Interessenten scharenweise absprangen, zahlte der schwedische Energiekonzern am Ende sogar 1,7 Milliarden Euro, um die Lausitzer Reviere abzustoßen. Für die Sanierung der Tagebaue hat Vattenfall 1,1 Milliarden Euro zurückgestellt.

Vor allem beim künftigen Eigentümer der Lausitzer Braunkohlereviere, der tschechischen EPH, scheint es Bedenken zu geben, ob man die Folgekosten tatsächlich tragen kann und will. Fraglich ist zudem, ob EPH in den kommenden Jahren überhaupt genügend Geld erwirtschaften kann, um Rückstellungen in ausreichender Höhe zu bilden. »Die Landesregierung muss den neuen Eigentümer zeitnah einem Stresstest unterziehen, um sicherzustellen, dass er für die Kosten der Renaturierung auch aufkommen kann«, forderte Heide Schinowsky von der Grünen-Landtagsfraktion.

Eine Forderung, die auch Kruschat unterstützt. Gerade bei der verschachtelten Unternehmensstruktur von EPH könne es schwer werden, Ansprüche gegenüber dem Konzern durchzusetzen - auch weil die Landesbehörden teilweise nicht in der Lage seien, die Überprüfungen eigenständig durchzuführen. Kruschat rechnet mit weiteren zehn Milliarden Euro für die Sanierung der noch in Betrieb befindlichen Tagebaue des Lausitzer Reviers. Die von Vattenfall zurückgelegte Milliarde würde dann kaum ausreichen.

Echte Sicherheit kann nach Ansicht der Studienautoren ohnehin nur ein öffentlich-rechtlicher Fonds gewährleisten: »Das wäre wirklich ein Paradigmenwechsel, weg von internen Finanzierungskriterien hin zu einem transparenten Modell«, so Wronski. Erst dann wäre nachvollziehbar, welches Unternehmen wie viel Geld aufbringen könne. Und es gäbe endlich Kontrolle über die Mittel.

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