Schwarzer Ruhetag

  • Andreas Gläser
  • Lesedauer: 3 Min.

Mittwochmorgen. Kaum habe ich das Radio angeknipst, erinnert mich der lustige Moderator an das abendliche Konzert; an das bereits ausverkaufte und letzte seiner Art: Black Sabbath in der Berliner Waldbühne. Ich schalte um, will davon nichts wissen, so wie früher, nur anders.

In meiner Kindheit und Jugend, da waren die mir bekannten Hardrock-Fans eher die Doofen, weil sie trotz großer Posen am kleinen Strophe-Refrain-Schema zu hängen schienen; genauso wie die Schlagermenschlein. Riesige Versprechung, ohne Einlösung. Nur Punk war krank. Sicher, Black Sabbath fielen mit Songs wie »Paranoid« auf, mehr noch als Cindy und Bert mit ihrer beachtlichen deutschsprachigen Fassung. Aber deswegen wollte ich von denen keine LP haben. Es lag auch am familiären Problem, ich hatte keinen großen Bruder, nur eine kleine Schwester. In unserem ostdeutschen Hitparade-Haushalt kam nicht an, dass sich Ozzy Osbourne & Co. 1970 auf ihrem Debütalbum mit düsterem Bluesrock verewigen wollten, dabei jedoch Heavy Metal erfunden hatten und fortan als Hohepriester des Doom für Furore sorgten.

Mit dem Beginn der 80er nahmen die Irrungen und Wirrungen bei den Herren aus Birmingham zu, man ging bis zum Kreuz auf der Brust unter, um 2013 nahezu in Originalbesetzung mit dem Album »13« die Auferstehung zu feiern. Ich hörte das wundersame Werk erstmalig inmitten einer herrlichen Wald- und Wasserlandschaft, in der einzigen finsteren Spelunke eines Städtchens, in die ich meine Ehemalige gelockt hatte, worauf sie sich schon wieder von mir trennte. Egal.

Ich wollte Black Sabbaths »13« nicht ignorieren. Blöderweise verpasste ich 2015/16 den Vorverkauf für das Berliner Konzert. Ich muss mir einreden, dass mein neuer Job ziemlich in Ordnung ist, ich gerne um 5 Uhr aufstehe und die Waldbühne nur eine Hochburg der Picknickkorbrocker ist. Dekadente Preise für ulkige Sichtverhältnisse. Und falls ich doch gut sehen würde, könnte ich danach schlechter hören. Runter von 75 auf 66 Prozent. Im Grunde weiß ich, dass das Konzert mit »War Pigs« eröffnet und mit »Paranoid« halbwegs beendet wird, wogegen man sich schon vor Jahrzehnten entschloss, den Klassiker »Sabbath Bloody Sabbath« wegen der schwierigen Höhen zu meiden.

Vor allem aber, und daran wird es liegen, habe ich immer noch keinen Verbündeten, der mit mir zum Konzert will und darüber hinaus eine Petition startet, damit täglich ab 5 vor 12 aus den Kirchturmfenstern mittels riesiger Boxen der Song »Children Of The Grave« erklingt.

Doch der Abend wird unterhaltsam, ich bin mit einem meiner nunmehr langjährigsten Freunde verabredet, nämlich mit Gottes Zwiegesprächspartner Ahne. Wir gehen ins Acud, zur melancholischen Hamburger Band Die Heiterkeit. Schön, oder?

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