Leitkultur

  • Lesedauer: 2 Min.

»Das Glück einer Familie hängt zum großen Teil von der geordneten Führung des Hausstandes ab. Diese Aufgabe liegt in den Händen der Hausfrau. Aber erst durch Übung und dadurch erlangte Erfahrung kann sie ihre Pflichten voll und ganz ausfüllen. Deshalb sollte kein Mädchen versäumen, sich schon in der Jugend auf den späteren Beruf vorzubereiten. Weil sich aber viele Mädchen gleich nach Verlassen der Schule einen Erwerb suchen müssen, der in keinerlei Zusammenhang mit der Hauswirtschaft steht, hat es sich die Haushaltungsschule zur Aufgabe gemacht, ihnen eine Grundlage für die wirtschaftliche Tätigkeit zu geben. Dazu gehört nicht nur das richtige Zubereiten einer gesunden Kost, sondern auch das Instandhalten der Wohnung, Kleidung und Wäsche. Außerdem muss eine Hausfrau verstehen, Kinder zu erziehen, Kranke zu pflegen und mit den gegebenen Mitteln auszukommen.«

Es ist noch gar nicht so lange her - vielleicht 40 oder 50 Jahre -, da galt diese altdeutsche Weisheit als Teil der Leitkultur. Gefunden hat dieses Bonmot eine geneigte Leserin dieser Rubrik in einem alten Kochbuch. Nicht alles in diesem Buch klingt altbacken. Auf Seite 108 findet sich im Kapitel »Vegetarische Rezepte« das Gericht »Kürbis in Tomate« - und ist damit anschlussfähig an heutige kulturelle Moden.

Sichten und Ansichten der Menschen auf sich selbst ändern sich mit den Moden der Kultur. Gehen wir in der Menschheitsgeschichte weit zurück - in die Antike -, dann zeigt sich, dass das Bild der Männer von sich selbst damals ein ganz anderes war als heute. Darauf macht die US-amerikanische Kunsthistorikerin Ellen Oredsson aufmerksam. In ihrem Blog »How To Talk About Art History« beantwortet sie Fragen zur Kunstgeschichte. Auf die Frage, warum antike Statuen, die nackte Männer zeigen, so winzige Penisse haben, hatte sie eine die männliche Netzgemeinde irritierende Antwort. Heute würden große Penisse als männlich und wünschenswert gelten, aber alles deute darauf hin, dass kleine Penisse zur Zeit der alten Griechen und Römer besser angesehen gewesen seien. Große Penisse seien in der Antike mit Dummheit und Lüsternheit, kleine mit Intellektualität assoziiert worden. Das Glück einer Familie hing aber wahrscheinlich schon vor 2000 Jahren von der geordneten Führung des Hausstandes ab. Manches ändert sich in der Leitkultur halt nie. jam Foto: imago/imagebroker/strigl

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal