Erfolgreicher Kleinstaat führt die EU

Slowakei übernimmt Präsidentschaft nach dem Brexit-Referendum in schwieriger Zeit

  • Jindra Kolar, Prag
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Slowakei gehört zu den kleinsten Mitgliedern der EU. Ab 1. Juli wird sie turnusgemäß deren Ratspräsidentschaft übernehmen.

Die Slowakei wird ab dem 1. Juli bis zum Ende des Jahres den Rat der Europäischen Union führen. Sowohl für die Mitglieder der EU als auch für die Regierung in Bratislava wird die Aufgabe nicht leicht sein. Die Folgen des britischen Referendums über einen Ausstieg aus der Gemeinschaft und die Flüchtlingskrise dürften die dominierenden Themen sein. Kurz vor der Übernahme der Slowaken wählt auch Spanien mit ungewissem Ausgang.

Andere politische und wirtschaftliche Themen, die vor allem die kleineren osteuropäischen Mitgliedsstaaten interessieren, dürften von der Regierung Robert Ficos wohl kaum auf dem europäischen Parkett vorangetrieben werden. Dabei ist für die Slowakei als Schlüsselland vor allem der Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Ost und West interessant. Die Wirtschaft der Republik entwickelt sich seit Jahren positiv, das Bruttosozialprodukt wuchs 2015 um 2,4 Prozent.

Dies hängt mit direkten Auslandsinvestitionen zusammen, die vor allem aus Deutschland kommen. Das Übergewicht der größten EU-Volkswirtschaft zeigt sich auch im Außenhandel: Mit 25,2 Milliarden Euro bilateraler Handelsbilanz ist Deutschland Nummer Eins im gesamten slowakischen Außenhandelsumsatz von etwa 131 Milliarden Euro. Die wirtschaftliche Sicherheit des Landes und die stetig abnehmende Arbeitslosigkeit, derzeit bei 11,5 Prozent, hängen von den internationalen Beziehungen Bratislavas ab.

Umso mehr irritieren Äußerungen von Premier Fico nach seiner Wiederwahl im März, die sowohl eine finanzielle Beteiligung an der Lösung der Flüchtlingsfrage in der von Brüssel geforderten Höhe als auch die direkte Aufnahme von Flüchtlingskontingenten ablehnen. Fico sieht sich darin in einer Reihe mit den anderen sogenannten Visegrad-Staaten Polen, Ungarn und Tschechien, aber auch mit einer Abschottungspolitik, wie sie Dänemark und inzwischen auch Österreich betreiben. Insbesondere die Vorbehalte des Regierungschefs gegen den Islam werden von vielen anderen Mitgliedsstaaten nicht geteilt. Frankreichs Präsident François Hollande erklärte, man werde alle berechtigten Flüchtlinge entsprechend der geltenden Konventionen aufnehmen, Religion sei dabei kein Kriterium. Eine Auffassung, die von der Mehrheit der Union geteilt wird.

In einem Gespräch mit Europaparlamentschef Martin Schulz betonte Fico, dass die Slowakei ihre Rolle bei der Präsidentschaft im kommenden halben Jahr ernst nehme. Außenminister Miroslav Lajčák erklärte, man wolle eine gesamtgesellschaftliche Diskussion führen. Es gebe kein »wir gegen die EU«. Beide Politiker versicherten, dass die Union wichtig für die Entwicklung der Slowakei, eines der kleinsten Mitglieder der Gemeinschaft, sei und diese ihren Beitrag für die Erweiterung der innergemeinschaftlichen Beziehungen leisten werde.

Ein Programm für die Präsidentschaft will Bratislava erst Ende Juni nach dem britischen Referendum vorlegen. Auf Einladung von Schulz soll Fico dies dann vor dem EU-Parlament am 6. Juli präsentieren. Sowohl in der slowakischen Hauptstadt als auch im übrigen Europa geht man davon aus, dass Fico die Einheit der Union vor allem auch in außenpolitischen Fragen sowie in der inneren wirtschaftlichen Zusammenarbeit beschwören wird.

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