Spanien: Linkspartei sieht nun PSOE gefordert

Sieg der Rechtskonservativen: PP kann bei Neuwahlen als einzige ihr Ergebnis verbessern / Unidos Podemos: »Ergebnisse sind nicht befriedigend«

  • Lesedauer: 7 Min.

Update 14.20 Uhr: Wie geht es nach der Wahl weiter?
Das neu gewählte Parlament soll am 19. Juli zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentreten. Der neue Parlamentspräsident wird anschließend König Felipe VI. eine Liste mit den Namen von Repräsentanten der Fraktionen überreichen. Der Monarch wird die Politiker zu einer Runde von Konsultationen in den Zarzuela-Palast einladen und anschließend dem Parlament einen Kandidaten für das Amt des Regierungschefs vorschlagen.

Dem König sind dabei keine Fristen gesetzt. Der bisherige Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte angekündigt, dass er eine Kandidatur nur annehmen werde, wenn er im Parlament eine ausreichende Mehrheit hinter sich wisse. In der ersten Abstimmung im Parlament benötigt der vom König vorgeschlagene Kandidat eine absolute Mehrheit. Wenn er diese verfehlt, reicht im zweiten Wahlgang zwei Tage später eine einfache Mehrheit.

Scheitert der Kandidat auch im zweiten Wahlgang, tritt eine Frist in Kraft: Wenn dann innerhalb von zwei Monaten (gezählt ab dem Datum des ersten Wahlgangs) kein neuer Regierungschef gewählt wird, muss der König Neuwahlen ansetzen.

Update 13.30 Uhr: Rajoy will nach Wahlerfolg mit Unterstützung der PSOE regieren
Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy will nach seinem überraschenden Erfolg bei der Neuwahl des Parlaments mit Unterstützung der sozialdemokratischen PSOE eine Regierung bilden. »Bei grundsätzlichen Themen benötigen wir die Unterstützung der PSOE«, sagte der konservative Regierungschef am Montag im Radiosender Cadena Cope. »Ich werde Gespräche mit allen politischen Kräften führen, aber zuerst mit den Sozialisten.«

Update 11.20 Uhr: Linkspartei sieht PSOE gefordert
Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, sieht nach den Wahlen in Spanien die sozialdemokratische PSOE gefordert, »gemeinsam mit Podemos und Izquierda Unida eine Politik der sozialen Gerechtigkeit und der Umverteilung in Angriff« zu nehmen. Das Wahlergebnis sei »eine Blamage für die etablierten Parteien, die noch immer am Hebel sitzen und das Land sozial ruinieren«, so Kipping. Die spanische Linke habe »mit vereinten Kräften« deutlich gemacht, »dass die reichen Eliten nicht mehr sattelfest sind«. Das Abschneiden von Unidos Podemos, die deutlich unter den Erwartungen geblieben waren, nannte die Linkenpolitikerin »vor dem Hintergrund der akuten Führungskrise der EU beachtlich. Viele Menschen haben sich nicht von dem chaotischen Zustand der EU-Eliten verunsichern lassen, sondern sich erneut für einen politischen Neustart für soziale Gerechtigkeit ausgesprochen«.

Update 11 Uhr: Sozialdemokraten unterstützen Rajoy nicht
Nach dem Sieg der Konservativen bei der Parlamentswahl in Spanien schließen die Sozialdemokraten eine Zusammenarbeit mit der PP des amtierenden Ministerpräsidenten weiterhin aus. Man werde Mariano Rajoy »nicht unterstützen«, sagte PSOE-Vize César Luena am Montag in Madrid. Ob man bereit sein könnte, Rajoy durch eine Enthaltung bei einer Vertrauensabstimmung im Parlament erneut an die Regierungsspitze zu verhelfen, ließ Luena allerdings offen. »Die PSOE will, dass Rajoy ersetzt wird.« Rajoys Rechtskonservative haben bei der Wahl als einzige ihr Ergebnis verbessert, sind mit 137 Abgeordneten aber erneut von der absoluten Mehrheit von 176 Mandaten entfernt - und daher auf einen Koalitionspartner oder die Duldung durch eine andere Partei angewiesen. Die liberale Partei Ciudadanos steht zu Koalitionsverhandlungen mit Rajoy bereit, beide Parteien zusammen hätten aber auch noch keine Mehrheit.

Spanien: Rajoy bejubelt »Recht zu regieren«

Berlin. Nach dem Sieg seiner rechtskonservativen Volkspartei PP bei der Parlamentswahl in Spanien hat der amtierende Ministerpräsident Mariano Rajoy das Recht zur Regierungsbildung für sich beansprucht. Er fordere nun »das Recht zu regieren«, sagte Rajoy in der Nacht zum Montag vor jubelnden Anhängern in Madrid. Die PP stellt künftig 137 Abgeordnete, 14 mehr als nach der Wahl im Dezember, die zu einer politischen Blockade geführt hatte. Allerdings verfehlte sie erneut die absolute Mehrheit von 176 Mandaten und ist daher auf einen Koalitionspartner oder die Duldung durch eine andere Partei angewiesen.

Die Volkspartei konnte bei der Wahl am Sonntag als einzige ihr Ergebnis verbessern und kam auf 33 Prozent der Stimmen. Die rechtsliberale Madrider Tageszeitung »El Mundo« titelte groß und wohl auch erleichtert auf Seite eins: »Die Spanier geben Rajoy eine neue Chance.« Die Wahlbeteiligung war mit 69,8 Prozent geringen als im Dezember.

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Alle anderen großen Parteien büßten Mandate oder zumindest Stimmen ein. Die liberale Partei Ciudadanos erhielt 32 Mandate, acht weniger als im Dezember. Parteichef Alberto Rivera kündigte bereits am Sonntagabend seine Bereitschaft zu Koalitionsverhandlungen mit Rajoy an. Die Koalitionsgespräche könnten diesmal rascher verlaufen, da die PP einen komfortableren Vorsprung hat.

Zweitstärkste Kraft wurde die sozialdemokratische PSOE, die auf 85 Sitze kommt - fünf weniger als bei der Wahl im Dezember. Sie erzielten ihr schlechtestes Ergebnis in der jüngeren Geschichte, behaupteten sich aber entgegen ersten Prognosen als zweitstärkste Kraft. Das Linksbündnis Unidos Podemos unter dem Spitzenkandidaten Pablo Iglesias konnte seinen Stimmenanteil entgegen den Erwartungen nicht verbessern und kommt erneut auf 71 Abgeordnete, verlor jedoch 1,2 Millionen Wählerstimmen.

Nach einer Prognose des staatlichen Fernsehens TVE war zunächst ein Linksruck mit starken Stimmengewinnen von Podemos erwartet worden. Diese Erhebungen auf der Grundlage von Wählerbefragungen waren in der Vergangenheit ziemlich zuverlässig gewesen, erwiesen sich diesmal jedoch in der Wahlnacht als nicht korrekt. »Die Meinungsforscher erlebten in der Wahlnacht ein Debakel«, stellte die Zeitung »El Mundo« in ihrer Online-Ausgabe fest. Mathematisch scheint es ausgeschlossen, dass PSOE und Unidos Podemos eine Regierungsmehrheit zusammenbekommen.

»Ich habe letztes Mal für (die Linkspartei) Podemos gestimmt, bin aber enttäuscht, dass sich in den vergangenen Monaten auch Linke und Sozialisten nicht einigen konnten, um die Konservativen von der Macht zu verdrängen. Alle Politiker sind gleich«, klagt Chema, ein Student, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

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»Die Ergebnisse sind nicht befriedigend, wir hatten etwas anderes erwartet«, sagte Iglesias. »Wir hatten andere Erwartungen«, erklärte der 37-jährige Politologe auf einer Pressekonferenz am späten Sonntagabend in Madrid. Iglesias betonte allerdings, seine Partei habe sich als politische Kraft konsolidiert. Der Weg von Podemos, das vor zwei Jahren praktisch nicht existiert habe, sei beeindruckend. Und er sei nicht zu Ende, versicherte er. »Unser Ziel ist immer der Sieg.«

Ursprünglich hatte Unidos Podemos die PSOE von Pedro Sánchez vom zweiten Platz verdrängen wollen. Der feierte den zweiten Platz. Auf einer Pressekonferenz deutete er 44-Jährige am Sonntagabend in Madrid auch an, dass seine Sozialdemokraten keine Große Koalition mit der konservativen Volkspartei bilden werden. Die PSOE, so Sánchez mit Blick auf die Unidos Podemos, seien »die stärkste Kraft des Wandels«. Er wolle unter anderem für die »Wiederherstellung eines sozialen, demokratischen und liebenswürdigen Europas« arbeiten.

»Wir spüren heute die Erschöpfung derjenigen, die gezwungen werden, nach einem unendlich langen Wahlkampf, der das ganze Elend der Politik an die Oberfläche getrieben hat, erneut ihre Stimme abzugeben«, klagte der angesehene Geschichtswissenschaftler und Soziologe Santos Juliá (76) im Renommierblatt »El País«. Die Zeitung »El Mundo« hatte das Gespenst schon vor Öffnung der Wahllokale auf Seite eins an die Wand gemalt: »Der Überdruss der Bürger, die Bedrohung der Unregierbarkeit und der Brexitschock prägen die zweite Wahl innerhalb von sechs Monaten.«

»Die Rechnung geht wieder nicht auf«, sagte eine Moderatorin des TV-Senders »RTVE«. In der Theorie wäre zwar - wieder - eine große Koalition von PP und PSOE möglich, aber der Chef der Sozialdemokraten, Pedro Sánchez, hat eine Unterstützung der wegen Korruptions-Affären und Kürzungen heftig kritisierten Konservativen mehrfach kategorisch ausgeschlossen. Die Teilnehmer einer »RTVE«-Talkrunde am Wahlabend glauben ihm aus einem einfachen Grund: »Die PSOE würde Podemos das Feld überlassen und von der Bildfläche verschwinden.« Agenturen/nd

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