Der Mensch auf Kinnsuche

Bud Spencer ist tot

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 3 Min.

Er schlug so schön zu. Das Alter schlägt nicht so schön zu. Aber härter allemal. »Man ist irgendwann verwundbarer, als man glaubt.« Sagte der Mann, der anderen gern ein blaues Auge ins Gesicht malte. Vielleicht, weil er vierzig Filmjahre neben sich Terence Hill hatte - den netten Kumpel, der selber zwei blaue Augen hatte, von deren Farbe guter Stahl nur träumen kann. Oder das Meer in den Schlagern.

Bud Spencer und Hill, das gehörte zusammen, das waren wirklich, wie einer ihrer Filme hieß, die rechte und die linke Hand des Teufels. Oder »Vier Fäuste für ein Halleluja«. Die Brutalität war zum Lachen, und die Gewalt beleidigte nicht mal einen Feingeist. Spencer kam mit einer Wucht, die sich als verdutzte Sanftheit kostümierte. Mit dem Charme des Monumentalbabys bahnte er sich seinen Weg durch den wilden Westen, später durch den Dschungel der Kriminalität, als Polizist Plattfuß.

Der 1929 geborene neapolitanische Fabrikantensohn hatte zunächst kleine Charakterrollen und Kurzauftritte, etwa in Filmen von Dino Risi, Lucchino Visconti und Charles Vidor - so war er zum Beispiel der Leibwächter von Peter Ustinovs Nero in »Quo Vadis« von Mervyn LeRoy. Bis er neben Terence Hill Star wurde und als Rechtsanwalt Carlo Pedersoli seinen bürgerlichen Lebenslauf beendete. Lag mit seiner Körpermasse richtig - auch im Wasser: Zehn Jahre in Folge erschwamm er sich die italienische Meisterschaft, im Brust- und Freistilschwimmen, und ihm gelangen als Erstem seines Landes die 100 Meter unter einer Minute. Zweimal nahm er an den Olympischen Spielen teil, 1952 in Helsinki und 1956 in Melbourne.

Der Schauspieler kultivierte jene Druckwelle, die von gut gerundeten Bäuchen ausgeht. Er war der Luftballon, der Dampf abließ, ohne zu platzen. Der Schläger nicht auf Suche nach Sinn, sondern nach Kinn. Die Filme erzählten lustig überspannt vom gestörten Frieden, der hinauszieht und zertrümmert - aber ohne zu ruinieren. Spencer fiel nie, und die entsorgten Schurken durften sich wie Jesus fühlen: immer wieder Auferstehung. Jeder Hieb die Neugeburt der Schädel-Stätte: Die Hiebe sausen hernieder, aber das Hirn der Bösewichter bleibt heil - weil es herausgenommen bleibt aus sämtlichen Szenen. Alles kurz und klein zu schlagen, gnadenlos draufzuhalten - das ist der Tiefentraum unserer Gerechtigkeitsgefühle. Die Mühe, diesen Traum gefesselt zu halten, ihn zu unterdrücken, nennen wir Kultur. Wir brauchen viel Dunkelheit, um uns diesem Traum wenigsten mit siegreichen Phantasien zu öffnen. Eine dieser Dunkelheiten heißt Kino. Und dort war Spencer so etwas wie der Schimanski fürs Zwerchfell. In einer Welt, die man grob in Gewaltsucher und Gewaltflüchter einteilen kann. Die Gewaltflüchter amüsieren sich beim Boxen am gekonntesten.

Irgendwann sagt man zu Opas Kino: Mein Kino. Dann hat das Alter zugeschlagen, und man schaute auch auf Spencer (und Hill) wie auf eine vergangene Zeit. Natürlich war sie schön, amüsant, und sie bleibt doch irgendwie jung. Bud Spencer ist jetzt mit 86 Jahren gestorben.

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