Polizei: Rigaer-Leak ist echt

Ermittlungen um Datenleck sensibler Personendaten gehen »in alle Richtungen«

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach der Veröffentlichung von Namen einiger Bewohner des Hausprojekts Rigaer Straße 94 auf einem rechtsextremen Blog ermittelt die Polizei auch in den eigenen Reihen.

Wieder ein brennendes Fahrzeug, wieder eingeschlagene Scheiben. »Tag X ist noch lange nicht vorbei.« Das zeigten die vergangenen Tage, und so steht es auch auf einem U-Bahn-Wagen der BVG. Gepostet wurde das Foto auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Mit der Ankündigung eines »Tag X« begannen in der vergangenen Woche Vergeltungsaktionen von Unterstützern des Hausprojektes in der Rigaer Straße 94 in Friedrichshain, dessen Erdgeschoss seit knapp zwei Wochen geräumt wird - begleitet von einem massiven Polizeieinsatz.

Doch nun hat der Streit um das Vorgehen der Polizei im Nordkiez und die Aktionen der linksradikalen Szene eine neue Dimension erreicht: Vertrauliche Ermittlungsdaten inklusive der Namen einiger Bewohner des Hausprojektes wurden auf einem Nazi-Blog veröffentlicht (»nd« berichtete). Am Freitag bestätigte die Polizei, dass das Dokument aus einer internen Ermittlungsakte stammt. Diese wurde nicht - wie zunächst angenommen - während des aktuellen Polizeieinsatzes angelegt, sondern bereits im Januar. Bewohner sollen damals drei Personen angegriffen haben, die der rechtsextremen Szene zugehörig sind. Die Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung hatte laut Polizei die Staatsanwaltschaft übernommen. Die Anwälte der Angegriffenen erhielten auf Antrag Akteneinsicht. Doch ob sie die Daten weiterleiteten oder ob das Datenleck bei der Polizei selbst zu suchen ist, ist noch unklar. »Es wird akribisch in alle Richtungen ermittelt«, sagte Polizeisprecher Winfrid Wenzel am Freitag. »Es ist ausgesprochen schwierig zu rekonstruieren, wer alles Zugang zu dem betreffenden Bericht hatte«, sagte er dem »nd«.

Einer Mitteilung des Hausprojekts »Rigaer 94« zufolge sind unter den aufgeführten Personen sowohl Mieter als auch Gäste. Anwalt Martin Henselmann, der mehrere Bewohner des Hausprojektes vertritt, forderte daraufhin am Freitag, die Polizeikontrollen aller Personen zu stoppen, die während der laufenden Baumaßnahmen die Rigaer Straße 94 aufsuchen - seien es Bewohner oder Besucher. »Dafür gibt es keine Grundlage«, sagte er dem »nd«. Stattdessen seien die Befürchtungen der Bewohner »weit übertroffen« worden. »Daten sind jetzt sogar in rechtsradikale Hände geraten.« Es sei nur eine Frage der Zeit, bis auch sensible Daten aus dem aktuellen Polizeieinsatz an die Öffentlichkeit gerieten.

Während die Grünen-Spitzenkandidatin Ramona Pop »rückhaltlose Aufklärung« forderte, warf CDU-Generalsekretär Kai Wegner ihr vor, einen Polizeiskandal zu konstruieren. Statt die Schuld bei der Polizei zu suchen, solle Pop sich »über die Fakten informieren und abwarten, was die Ermittlungen ergeben«. Mit der Begründung, dass der Innenausschuss vor der Sommerpause nicht mehr tagen wird, veröffentlichten der Fraktionsvorsitzende der LINKEN, Udo Wolf, sowie der innenpolitische Sprecher Hakan Taş am Freitag einen Offenen Brief an Innensenator Frank Henkel (CDU). Darin fordern sie detaillierte Aufklärung des Vorfalls und erbitten Klärung darüber, ob die im Dokument erwähnten Personen gefährdet sein könnten, Opfer rechter Übergriffe zu werden.

Der Verfassungsschutz geht davon aus, dass »Tag X« weiter andauern wird. Der Berliner Verfassungsschutzchef Bernd Palenda sagte dem »Focus«, er rechne mit weiterer Gewalt von links. Auch Menschen könnten zu Schaden kommen. Manchen »Linksextremisten« sei jedes Mittel recht. Dazu sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen Benedikt Lux dem »nd«, Palenda solle »verbal abrüsten«.

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