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Die AfD will an die Macht

Bundesparteichefin Petry erhebt bei Landesparteitag Anspruch auf Regierungsbeteiligung

Die AfD Brandenburg hatte erstmals Delegierte zu einem Parteitag eingeladen. Vor dem Lokal in Kremmen bekam sie die rote Karte gezeigt.

Günter Pahs überlegt ernsthaft, ob es überhaupt das richtige Mittel sei, gegen die AfD zu demonstrieren. Er fragt sich, ob diese Partei dadurch nicht nur zusätzliche Aufmerksamkeit bekomme. Dennoch hat Günter Pahs, als er darum gebeten wurde, für die LINKE den Aufruf des DGB-Vizekreisvorsitzenden Roland Tröger mit unterschrieben, der AfD am Sonnabend in Kremmen (Oberhavel) die rote Karte für Rassisten zu zeigen. Kurz vor 9 Uhr steht Pahs mit Tröger und 14 anderen Bürgern aus Kremmen und Umgebung vor der »Musikantenscheune«, wo die AfD einen Landesparteitag abhalten will.

Die 152 Delegierten trudeln nur langsam ein, und auch die Teilnehmer der Gegenkundgebung kommen erst nach und nach. Nicht alle bleiben zwei Stunden lang. Einige sind bereits verschwunden, als andere auftauchen. Auch Bürgermeister Klaus-Jürgen Sasse (SPD) schaut kurz vorbei. Insgesamt mehr als 40 Leute zeigen der AfD aber, dass sie im wunderschön rekonstruierten Scheunenviertel nicht willkommen ist. Ab und zu ertönt ein Pfeifkonzert.

Delegierte und Gäste des Parteitags sind empört. Mit Blick auf die roten Westen des Gewerkschaftsbundes schimpft einer: »Dafür verwenden die also die Mitgliedsbeiträge.« Doch Vizelandeschef Andreas Kalbitz beruhigt: »Die sind ja friedlich. Die dürfen das.« Dann spottet Kalbitz, der AfD werde vorgeworfen, eine Altherrenpartei zu sein, doch der Altersdurchschnitt bei denen da drüben liege bei 180 Jahren.

»Rote Karte für Rassisten«, liest ein Parteitagsbesucher von einem Transparent ab. »Bin ich dafür«, beteuert er. Als rassistisch möchte die AfD nicht eingestuft werden, und insbesondere nicht als antisemitisch. Im Landtag von Baden-Württemberg hat sich die AfD-Fraktion gerade wegen antisemitischer Äußerungen des Abgeordneten Wolfgang Gedeon gespalten. Die Bundesvorsitzende Frauke Petry versuchte, die Spaltung abzuwenden.

Die Delegierten wollen darüber reden. Sie ziehen extra den Tagungsordnungspunkt »Verschiedenes« vor. Auch bei den Grußworten kommen die Ereignisse in Stuttgart zur Sprache. So sagt Sachsens AfD-Generalsekretär Uwe Wurlitzer, die Partei habe in Baden-Württemberg »in die Toilette gegriffen«. Wolfgang Prabel vom Vorstand in Thüringen ermahnt, für die »gute Sache« zu streiten und nicht untereinander. Gute Sachen sind für Prabel die »billige Energie aus brandenburgischer Braunkohle«, Familien mit drei oder vier Kindern und die Abschaffung der Rundfunkgebühren. Sachsen-Anhalts AfD-Chef André Poggenburg ist gewiss: »Gepunktet haben wir in Baden-Württemberg nicht.« Ein Gutes möchte er den Querelen aber dennoch abgewinnen. Nun sei klar, behauptet Poggenburg, dass Antisemitismus in der AfD nicht geduldet werde.

Thomas de Jesus Fernandes aus Mecklenburg-Vorpommern macht sich offensichtlich nur wenig Gedanken deswegen. Die Bürger wissen, so sagt er, dass die AfD sich wieder sammeln werde. In Mecklenburg-Vorpommern liegt die AfD mit 19 Prozent hinter CDU (25) und SPD (22), träumt aber davon, die Landtagswahl am 4. September zu gewinnen.

Frauke Petry möchte in der »Musikantenscheune« über die Streitigkeiten nicht mehr sprechen. Stattdessen schwärmt sie von den Möglichkeiten der AfD. Sie glaubt, dass die Partei in den Jahren 2017 bis 2021 Mehrheiten gewinnen und Verantwortung übernehmen werde - erst in den Ländern, dann auf Bundesebene, als Juniorpartner oder sogar als stärkste Kraft in einer Regierung.

Erfreut stellt Petry fest, dass der Landesverband Brandenburg, der bisher Parteitage als Mitgliederversammlungen organisierte, wegen schnellen Wachstums erstmals Delegierte bestimmte. Das will sie als Anregung mit nach Hause nehmen. Dabei übersieht Petry, dass die Brandenburger Satzung dazu zwang, wegen der jetzt 901 Mitglieder auf Delegierte umzustellen, dass die Satzung deswegen aber nachher abgeändert werden soll. Doch die Zuhörer verzeihen der Parteichefin diesen Lapsus mit einer wegwerfenden Handbewegung. Sie spendieren Applaus und rufen »Bravo«, wenn Petry über Kanzlerin Angela Merkel (CDU) herzieht und ein besseres Bildungssystem fordert, damit die Kinder nicht auf die »Propaganda von ZDF und Kinderkanal hereinfallen«.

Brandenburgs AfD-Landesvorsitzender Alexander Gauland warnt, Grenzüberschreitungen könnten schnell zum politischen K.o. führen. »Antisemitismus ist eine solche Grenzüberschreitung.« Die Wähler würden der AfD nur Verantwortung übertragen, wenn sie sich von solchen Dingen trenne, meint Gauland. Er geht in seiner Rede aber selbst mehrfach an Grenzen, wenn er beispielsweise poltert, die AfD müsse eine Alternative schaffen zum »links-rot-grün versifften 68er-Deutschland«. Unter tosendem Beifall ruft er: »Wir müssen uns des Zustroms fremder Menschen erwehren und dafür sorgen, dass wir nicht eines Tages in einem islamischen Land aufwachen.«

Gauland wünscht sich die AfD als Partei der kleinen Leute, weil das Millionen Wähler seien. In dieser Hinsicht müsse am Programm noch gearbeitet werden. Was bei Karl Marx die Kesselflicker gewesen seien, das seien heute die Paketzusteller. »Noch schwebt Deutschland auf einer Welle der Zufriedenheit, doch es droht der soziale Abstieg«, prophezeit Gauland. Die Alternative für Deutschland sei die letzte Chance für Deutschland. Hart geht Gauland mit der CDU ins Gericht, der er selbst einmal angehörte und die er enttäuscht verließ. Die CDU sei unter Angela Merkel nur noch eine »leere Hülle«. Da sei ihm Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht lieber. Die habe zwar die falschen Überzeugungen, aber sie habe wenigstens Überzeugungen.

Bei der Auszählung eines Abstimmungsergebnisses sollen die Delegierten ihre Stimmkarten deutlich sichtbar zeigen. Einer blödelt: »Ich bekomme den rechten Arm nicht so hoch.« Da hat die LINKE draußen ihre Fahnen bereits eingerollt.

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