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Blockupy blockiert wieder - diesmal das Arbeitsministerium

Nach jahrelangen Protesten gegen die EZB ziehen die Kapitalismuskritiker nach Berlin um

  • Elsa Koester
  • Lesedauer: 4 Min.

Blockupy hat ein neues Zuhause gefunden: Mit Schirm, Transparenten und Umzugskartons zogen die Aktivisten am Freitagnachmittag fröhlich-lärmend vor das Arbeitsministerium in Berlin und brachen ihre Zelte vor der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt endgültig ab. »Frankfurt war uns lange eine gute Bleibe, doch nun tragen wir unseren Protest dahin, wo neoliberale Politik und soziale Spaltung ihren Anfang genommen haben«, begründet das Bündnis aus Linkspartei, attac und antikapitalistischen Netzwerken seine Lebensentscheidung.

»Stop Austerity« und »People Over Profit« (Sparpolitik stoppen – Menschen über Profite) steht auf den Kartons, die vor dem Arbeitsministerium aufgereiht wurden. Warum ist ausgerechnet ein deutsches Ministerium das neue Ziel der Blockupy-Kritik – und nicht mehr die EZB als Teil der Troika? »Die politische Situation in Europa hat sich geändert, seit wir 2012 mit unserem Protest anfingen«, erklärt Bündnissprecherin Hannah Eberle. »Inzwischen spielt die Neuorganisierung des Arbeitsmarktes eine zentrale Rolle. Aus Deutschland wurden der Niedriglohnsektor und Lohndumping, Hartz IV und unsichere Arbeitsverhältnisse nach ganz Europa exportiert.« Das Arbeits- und Sozialministerium stehe als Symbol für diese Sozialpolitik, die für Armut und Verunsicherung sorge – zwei Phänomene, in denen das Bündnis eine zentrale Ursache für den Rechtsruck in Europa sieht.

Mit der Kundgebung möchte Blockupy auf seine erste zentrale Aktion am 2. September in Berlin aufmerksam machen. Geplant sind dann – wie könnte es anders sein: Blockaden. Diesmal wollen die Aktivisten die Arbeit des gleichnamigen Ministeriums stören. Außerdem sollen, wie schon in den Jahren zuvor, »Krisenakteure markiert« werden. So bezeichnet das Bündnis politische Institutionen und Unternehmen, die für die soziale Spaltung in Europa verantwortlich sind. So bewarfen 2014 Aktivisten den EZB-Neubau in Frankfurt mit Farbbeuteln oder steckten 2013 kleine Flyer zwischen die Klamotten des Textildiscounters »Primark«, die die Ausbeutungsverhältnisse in der Produktion kenntlich machten.

»Auch in Berlin haben wir einige solcher Krisenakteure ausgemacht: Neben dem Arbeitsministerium zum Beispiel die Jobcenter sowie Unternehmen, die ihre Arbeiter nicht oder nicht ordentlich bezahlen, aber auch Institutionen, die Europas Grenzen vor Migrant*innen abzuschirmen versuchen«, zählt Hannah Eberle auf.

Mit Schirm, Charme – und Regenbogenmützen?

Bei der Einstandsfeier am Mittwoch zeigte sich Blockupy gewohnt bunt, wie man es aus Frankfurt kennt: Mit dabei die Regenschirme, die längst zum Symbol des Protests für ein solidarisches Europa geworden sind, laut Eberle ein bewährter Schutz vor Wind und Wetter, Polizeikameras und gepfeffertem Regen. Es tauchten auch die Sturmhauben in Regenbogenfarben wieder auf, die aus Demonstrationen in Frankfurt und Italien bekannt sind. Wollen die Aktivisten etwa nicht mehr mit ihren Gesichtern für ihre Politik stehen?

»Blockupy kündigt immer genau an, was das Bündnis plant: massenhaften zivilen Ungehorsam. Wir verstecken uns nicht«, sagt Eberle. »Die Regenbogenkappen stehen vielmehr dafür, dass wir im gemeinsamen Widerstand zu einem Kollektiv werden, das stärker ist als die Einzelnen – und dass wir zusammen kämpfen, ohne dabei unsere Vielfalt zu verlieren.« Aber natürlich besäßen die Mützen nicht nur Symbolkraft, sondern stellten einen Schutz dar. »Die Polizei ging nicht immer zimperlich mit uns um. Unsere Demos wurden verboten, ein Teil wurde über neun Stunden lang gekesselt, es gab fast 1000 Festnahmen – Verfahren wurden in den meisten Fällen gar nicht erst aufgenommen. Einige Aktivisten ziehen es vor, sich dieser Repression nicht offen auszusetzen«, so Eberle.

Das Blockupy Bündnis hatte erstmals 2012 in Frankfurt gegen die europäische Krisenpolitik demonstriert. 2013 blockierte das Bündnis die Europäische Zentralbank, stürmte den Frankfurter Flughafen aus Protest gegen Abschiebung und markierte Krisenakteure in der Innenstadt, darunter die Deutsche Bank und den Bekleidungsdiscounter »Primark«. Nach einem dezentralen Aktionstag in 14 europäischen Ländern und einem Frankfurter Festival 2014 kehrten die Kapitalismuskritiker 2015 ein letztes Mal nach Frankfurt zurück, um die Eröffnungsfeier des EZB-Neubaus zu verhindern. Seit 2015 finden die Bündnistreffen bereits in Berlin statt.

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