AfD-Funktionär darf Rassist genannt werden

Landgericht Freiburg sieht Aussage von Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt

  • Dirk Farke, Freiburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn ein AfD-Funktionär auf einer öffentlichen Veranstaltung seine Hasstiraden gegen Migranten und Bürgerkriegsflüchtlinge anstimmt, darf er von den Medien als »rassistischer Anwaltsredner« bezeichnet werden. So lautet der Leitsatz eines Urteils am Freiburger Landgericht vom Donnerstag.

Passiert war folgendes: Am 1. Juni randalieren Mitglieder der Alternative für Deutschland auf einer Informationsveranstaltung zu einem geplanten Flüchtlingswohnheim in Freiburg-Landwasser. AfD-Funktionär und Rechtsanwalt für Familienrecht Oliver Kloth sagte dort in seiner Rede: »Ich habe in den zwanzig Jahren, in denen ich Menschen im Asylverfahren begleitet habe, noch nie jemanden getroffen, der die Gründe, die er im Asylverfahren vorgegeben hat, auch tatsächlich erlebt hat. Natürlich sind es genauso Menschen, die Liebe wollen und ein gutes Herz haben. Aber es sind auch viele dabei, die nutzen unser Sozialsystem aus und begehen Raubüberfälle und Attacken auf Frauen und Männer.« Alle hätten falsche Asylgründe angegeben.

Über die Veranstaltung, diese Rede und die anschließende Eskalation berichtete auch das älteste Freie Radio Deutschlands, Radio Dreyeckland (RDL) aus Freiburg. Der nicht kommerzielle Sender ging aus dem Widerstand gegen das geplante Atomkraftwerk in Wyhl am Kaiserstuhl 1977 hervor und war zu der Zeit der bekannteste Piratensender im deutschsprachigen Raum. Das Themenspektrum weitete sich rasch aus und die Radiomacher berichteten bald ebenso aus besetzten Fabriken in Frankreich wie über den Freiburger Häuserkampf. Nach und nach zeichnete sich RDL auch durch ein niveauvolles, breit gegliedertes kulturelles Angebot aus. Erst 1988 erhielten sie eine offizielle Hörfunklizenz und senden seitdem legal aus Freiburg.

Ist in dem aktuellen Fall nun die Titulierung als Rassist legitim? AfD-Funktionär Kloth meint, »nein« und verklagte RDL auf Unterlassung. RDL-Anwalt Udo Kauß präsentierte in der mündlichen Verhandlung Anfang Juli eine Expertise des Soziologen Professor Dr. Ulrich Bröckling von der Freiburger Universität. Darin gelangt dieser zum Schluss: »Der Online-Beitrag von RDL kommentiert den Auftritt von Herrn Kloth auf der Bürgerversammlung in kritischer, aber keineswegs verfälschter oder die Person des Redners schmähender Weise.« Die zitierten Äußerungen Kloths mit ihrer Rhetorik des »diffusen Pauschalverdachts« gegen Flüchtlinge in diesem Sinn als rassistisch zu bezeichnen, entspreche grundsätzlich dem gegenwärtigen Verständnis von Rassismus.

In der Urteilsbegründung führte Richter Peter Knaup aus, »aus rechtlicher Sicht« habe Kloth es hinzunehmen, von Medien als »rassistischer Anwaltsredner« bezeichnet zu werden. Auch sei die Zusammenfassung von Kloth Redebeitrag »eine im Kern zutreffende Tatsachenbehauptung«.

Nicht mehr behaupten darf RDL aber, Kloth habe das Anwalt-Mandanten-Verhältnis gebrochen, um zu beweisen, dass kein Asylbewerber ein Flüchtling sei. Obwohl Kloth inzwischen gegenüber der Rechtsanwaltskammer einräumen musste, noch nie einen Mandanten in einem Asylverfahren vertreten zu haben, wertete das Gericht dies als »unvollständige Wiedergabe« und damit als rechtswidrige Aussage. RDL wird deshalb gegen diesen Punkt des Urteils in Berufung gehen.

Vertreter der Freiburger Linkspartei trafen sich vor dem Gericht zu einer Solidaritätsveranstaltung für den Radiosender.

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