Mutmaßlicher Vergewaltiger vor Gericht

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 3 Min.

Er ist freundlich und zuvorkommend, hat eine sympathische Stimme. Kein Wässerchen scheint den Friseur Alexander M. trüben zu können. Er turtelt mit einer Frau, als würde er in wenigen Minuten mit ihr ins Liebesnest steigen. Doch es geht in den Gerichtssaal, und die Anklage hat es in sich: Nachstellung, Beleidigung, Bedrohung, Zuwiderhandlung gegen das Gewaltschutzgesetz, Vergewaltigung, schwere Körperverletzung, Nötigung, räuberische Erpressung, Sachbeschädigung. Und die Vorsitzende Richterin fügt hinzu, es könnte auch noch erpresserischer Menschenraub oder Geiselnahme in Betracht kommen.

Zum Geschehen gibt es drei Geschichten. Die des Angeklagten und die zweier Frauen. Mit einer hatte er laut Anklage bis 2014 eine Beziehung. Als sie diese beendete, habe er sie mit Anrufen und Besuchen rund um die Uhr belästigt. Das hörte erst auf, als er Katarina B. kennenlernte. Die merkte allerdings schnell, dass er mehr Interesse an ihrem Geld als an ihr hatte. Am 8. Dezember 2014 forderte sie in seiner Wohnung rund 4000 Euro von ihm zurück. Ihre Tochter hatte Geburtstag, sie brauchte Geld.

Zunächst war Alexander F. freundlich, doch dann beschimpfte er sie und schloss sich mit ihr in der Wohnung ein. Den Schlüssel legte er in einen Tresor. »Ich hatte die ganze Zeit über Todesangst«, erklärte Katarina B. dem Gericht, denn nun begann ein wahrer Horrortrip. Er zerrte sie an den Haaren, würgte sie bis fast zur Ohnmacht, schlug sie und riss ihr die Kleider vom Leib. »Lebend kommst du hier nicht mehr raus«, soll er geschrien haben. Dann wieder weinte er, küsste sie, versprach, alles wieder in Ordnung zu bringen. Den Geschlechtsverkehr ließ sie in ihrer Angst über sich ergehen. »Ich habe alles getan, was er wollte«, erklärte sie dem Gericht. Am nächsten Tag ließ er sie gehen, Stunden später im Krankenhaus wurden unzählige Blutergüsse konstatiert. Die Vergewaltigung verschwieg sie aus Scham, erst später bei der Polizei erzählte sie die ganze Geschichte. An viele Details, an genaue Zeitabläufe, wichtig für das Gericht, hat Katarina B. heute nur noch vage Erinnerungen.

Die Geschichten, die Alexander F.s Anwalt präsentiert, sind andere. Bei Frau Nummer Eins habe es niemals Drohungen oder Versuche gegeben, gewaltsam in das Haus einzudringen. Man sei in Freundschaft auseinandergegangen. In F.s Variante über den Vorfall mit Katarina B. war sie diejenige, die gewalttätig geworden sei, las der Anwalt vor. Erst später sei auch er ausgerastet, habe sich aber sofort bei ihr entschuldigt. Miteinander geschlafen hätten sie, um sich gegenseitig zu trösten.

Das Gericht wird am Ende einer Version glauben müssen, wenn es im August das Urteil fällt. Alexander F. wird es trotz seines Charmes schwer haben, denn er ist einschlägig vorbestraft.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal