nd-aktuell.de / 27.07.2016 / Politik

Clinton nun offiziell Kandidatin

Erste Frau mit realistischen Aussichten auf Präsidentenamt / Anhänger des linken Senators Sanders protestieren gegen Demokraten-Führung

Berlin. Hillary Clinton schreibt Geschichte: Die 68-Jährige ist von den US-Demokraten offiziell zur Präsidentschaftskandidatin gekürt worden - und damit die bislang erste Frau mit realistischen Aussichten auf das höchste US-Staatsamt. Als erste Präsidentin wolle sie Frauen den Weg ebnen, kündigte sie an: »Sollten da draußen einige kleine Mädchen sein, die lange aufbleiben und zuschauen durften, lasst mich nur sagen: Ich könnte die erste Präsidentin sein - aber eine von Euch ist die nächste.«

Clinton wandte sich in einer Videobotschaft an die Delegierten des Parteitags, ihr Redeauftritt ist erst für Donnerstag geplant. Die Präsidentschaftskandidatin sprach von »Geschichte«. Ihre Nominierung sei »der größte Riss« in der Barriere, die den Aufstieg von Frauen bislang versperrt habe, sagte Clinton. Die ehemalige Senatorin, Außenministerin und First Lady ist die erste Frau in der 240-jährigen Geschichte des Landes, die von einer der großen Parteien in das Präsidentschaftsrennen geschickt wird. Für ihre Nominierung hat sie seit langem gekämpft. Vor acht Jahren war sie noch im internen Wettbewerb der Demokraten gegen den späteren Präsidenten Barack Obama unterlegen.

Bei der Parteitagsabstimmung in Philadelphia hatte Hillary Clinton zuvor 2.842 Delegiertenstimmen erhalten, womit sie deutlich über der bei 2.382 Stimmen liegenden Schwelle zur erforderlichen absoluten Mehrheit lag. Der linke Senator Bernie Sanders, der sich in den Vorwahlen eine hitzige Auseinandersetzung mit Clinton geliefert hatte, kam auf 1.865 Stimmen. Der Senator aus Vermont hatte am Vortag in einem leidenschaftlichen Appell seine Anhänger dazu aufgerufen, sich hinter Clinton zu stellen. »Hillary Clinton muss Präsidentin der Vereinigten Staaten werden«, hatte Sanders erklärt. Allerdings trat Sanders am Dienstagabend offiziell als Gegenkandidat Clintons an. Dies hatte er im Vorfeld angekündigt.

Parteistrategen hatten noch bis zuletzt versucht, eine Kampfabstimmung zu verhindern. Sanders ergriff zum Schluss der Abstimmung das Wort und verkündete de facto den Sieg Clintons. Er bat um eine Abstimmung per Akklamation zum Sieg Clintons - damit machte er ihren Sieg praktisch einstimmig. »Ich beantrage, dass der Parteitag die Geschäftsordnung ändert. Ich beantrage, dass Hillary Clinton zur Kandidatin der Demokratischen Partei für das Präsidentenamt der Vereinigten Staaten nominiert wird«, sagte Sanders. Die Delegierten stimmten in ein lautstarkes »Aye« ein und bestätigten das Ergebnis. »Es ist jetzt einfach, Buhrufe auszustoßen. Aber es ist schwierig, unseren Kindern in die Augen zu sehen, die in einem Land leben, das von Donald Trump regiert wird«, sagte er mit Blick auf die Clinton-Kritiker in den eigenen Reihen.

Anhänger von Sanders unter protestierten im Arbeitsbereich der Medien gegen die aus ihrer Sicht stattgefundene Ungleichbehandlung von Sanders. Die Polizei sperrte die Pressebereiche ab. Die Demonstranten setzten sich vor den Zelten auf die Straße, einige klebten sich den Mund mit Klebeband zu. »Dies ist ziviler Ungehorsam«, sagte Deane Evans aus dem Bundesstaat Washington. Insgesamt verlief der zweite Tag der Demokraten-Versammlung aber deutlich harmonischer als der Auftakt. Am Montag hatten zahlreiche Sanders-Anhänger ihren Unmut über die Kandidatin lautstark zum Ausdruck gebracht. Das Votum zur Kür Clintons verlief ungestört. Zur Entschärfung der Stimmung hatte auch Sanders selbst beigetragen, der in einer Parteitagsrede am Montag für Clinton geworben hatte.

Ex-Präsident Bill Clinton gab vor dem Parteitag eine leidenschaftliche und liebevolle Wahlempfehlung für seine Frau ab, die ihm 24 Jahre nach seinem ersten Wahlsieg ins Weiße Haus folgen will. »Ihr solltet sie wählen, weil sie nicht aufgibt, auch wenn es schwierig wird. Sie wird Euch nicht im Stich lassen«, sagte der der 69-Jährige. Er sprach auch jene Wähler an, die in der Politikveteranin nicht die Verkörperung des erwünschten Politikwechsels sehen. »Natürlich ist sie schon lange dabei, klar«, sagte Bill Clinton - und fügte hinzu: »Es hat sich aber für jedes Jahr gelohnt, das sie nutzte, um das Leben der Menschen besser zu machen.«
Clinton wird bei der Wahl am 8. November gegen den rechtspopulistischen Immobilienmilliardär Donald Trump antreten. Dieser war vergangene Woche von den Republikanern nominiert worden. Agenturen/nd