Megametropole Karatschi mit Megaproblemen

Trinkwassermangel und Stromausfälle, aber kein Mangel an Korruption / Schweigen über den Skandal um Bahria Town

  • Gilbert Kolonko
  • Lesedauer: 4 Min.

Es gibt Skandale, die sind so groß, dass man nach dem ersten Aufschrei lieber so tut, als sei nichts gewesen. So im Fall der pakistanischen Bahria Town. Im Innern des bröckelnden Kolonialgebäudes in der Nähe des Empressmarktes in Karatschi lächelt mich der Teekoch herzlich an. Wer raus auf die Straße schaut, wo sich eine Blechlawine durch die Straße hupt, hat indes wenig Grund zum Lachen. Erst recht, wenn man dann in einem der verbeulten Busse den schwarzen Lyari Fluss überquert und beißender Gestank Tränen in die Augen treibt. 20 oder 22 Millionen Menschen leben mittlerweile in Karatschi, so genau weiß das niemand. Täglich strömen Tausende hinzu. Schon jetzt kann der Staat nach eigenen Angaben nur 50 Prozent der Bewohner Karatschis mit Trinkwasser versorgen, Stromausfälle bis zu 18 Stunden am Tag sind gerade im Sommer normal. Laut einer Studie des Max Planck Instituts ist Karatschi die Megametropole mit den meisten Todesfällen wegen Luftverschmutzung.

Das wichtigste Erholungsgebiet Karatschis, der Strand von Clifton, ist auch 13 Jahre nach dem Untergang des Öltankers Tasman schwarz, obwohl die Betreiber die Regierung finanziell entschädigt hatten. Das Hafenwasser ist hochgradig kontaminiert. Schwerbewaffnete Rangers, eine Sondereinheit der pakistanischen Armee, patrouillieren seit einem Jahr durch die Straßen.

Nur dank ihnen konnte die Zahl von jährlich 3000 Auftragsmorden und bis zu 20 000 täglichen Straftaten gesenkt werden.

Die politisch Verantwortlichen, die die kriminellen Bandenführer kon- trollieren, sind jedoch weiterhin auf freiem Fuß. Noch vor dem Sommer veröffentlichte die pakistanische Zeitung »the dawn« einen Artikel über das Wohnprojekt Bahria Town im Norden von Karatschi, wo der Bauunternehmer und Milliardär Malik Riaz eine eigene kleine Stadt für 500 000 Menschen aus dem Boden gestampft hat. Im kleinsten Detail zeigten die Journalisten Fahim Zaman und Naziha Syed Ali auf, dass die ganze Unternehmung auf Korruption und Vertreibung gebaut wurde.

Alle steckten sie mit drin: Vom kleinen Polizisten und mittleren Beamten über führende Politiker bis zu Ex-Generälen. Staatsland wurde illegal an Riaz verkauft, Dörfer wurden plattgemacht, die Bewohner vertrieben. Wer aufmuckte, bekam auch schon mal eine Anzeige nach den Gesetzen der Anti-Terror-Bekämpfung. Dazu wurden alle Hauptstraßen, Abwasserkanäle, Boulevards und Brücken der Siedlung aus dem klammen Staatshaushalt bezahlt.

Das Wasser, welches in Bharia Town 24 Stunden am Tag aus der Leitung fließen soll, wird aus dem eh schon knappen Reservoir der Menschen Karatschis abgezapft. Zuerst ging ein Aufschrei durch die Lesergemeinde, doch dann merkten die ersten etwas: Da geht es um meine Rettung aus dem Schlamassel, auch ich habe mir dort schon eine Wohnung gekauft!

Einige verteidigten Malik Riaz: Er schaffe wenigstens Wohnungen, während der Staat auch darin völlig versage. Dazu ist Malik Riaz einer der größten Steuerzahler seines Landes, im Gegensatz zu seinen Milliardärskollegen Nawaz Sharif, aktueller Ministerpräsident, und Ex-Präsident Asif Zardari. Riaz scheint sich jedenfalls sicher zu fühlen, denn freimütig erklärte er, dass alles in Pakistan, was Rang und Namen hat, auf seiner Bestechungsliste stehe und setzte hinzu: »Wenn sie den Betrag meines höchsten Bestechungsgeldes wüssten, würden sie einen Herzinfarkt bekommen.«

Seit dem »dawn«-Artikel herrscht eisiges Schweigen über dieses Vorzeige-Fortschrittsprojekt der freien Wirtschaft. Kein Wunder. An den Rändern von 15 Städten Pakistans entstehen für 20 Milliarden Dollar Bahria Towns, darunter Rawalpindi und Peshawar, die in einer Rangliste zu den zehn versmogtesten Städten unserer Erde gehören.

Da die Regierung vor allem auf die Steigerung des Wirtschaftswachstums mit Hilfe von »Billigarbeitern« für den Export setzt, heißt das: Mehr ungefilterte Abwasser und Abgase aus den Industrien, mehr Landbewohner die in die planlos ausufernden Städte strömen werden, mehr Bharia Towns, weniger Wasser für die Masse der Bevölkerung.

Durch die Aufdeckung des Skandals um das Projekt Bharia Town in Karatschi kam auch der Mord im Jahr 2013 an der Bürgerrechtlerin Perween Rahman wieder ins Licht. Wie viele andere Aktivisten und Journalisten wurde sie nicht von religiösen Fanatikern getötet, sondern weil sie korrupten Machenschaften in die Quere kam.

In ihrem Fall waren es die der Landmafia von Karatschi. Perween Rahman setzte sich auch für die Rechte der Dorfbewohner um Karatschi herum ein, weil sie voraussah was Projekte wie Bahria Town anrichten würden. Sie wurde auch nie müde zu sagen: »Fortschritt kommt nicht durch Beton, er kommt durch menschliche Entwicklung!«

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