Skepsis ist in jedem Fall angebracht

Versicherungsangebote im Internet

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Der ehemalige Co-Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Anshu Jain, berät ein »Fintech«-Unternehmen in England, das sich damit brüstet, das Gegenteil einer Bank zu sein. Dass Internetfirmen Bankprodukte anbieten und den etablierten Geldinstituten Konkurrenz machen, ist jedoch schon fast ein alter Hut. Neu ist dagegen, dass auch Versicherer immer mehr Konkurrenz im Internet bekommen.

»Fintech« ist das neue Modewort in der Geldszene. Es bezeichnet die Veränderung von Finanzdienstleistungen mit Hilfe von Technologien. Eigentlich eine alte Geschichte: Auch Sparkassen und alteingesessene Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit bieten seit Langem spezielle Produkte im Internet an. Wirklich neu ist aber, dass junge Akteure in die alten Märkte drängen.

Eine der erfolgreichsten Fintech-Ideen ist die Vergabe von »einfachen« Krediten an Kreditsuchende ohne hohe Bankgebühren. Eine Weiterentwicklung sind Kredite, die Privatpersonen an Privatpersonen verleihen. Als Erfinder gilt kurz nach der Jahrtausendwende die Gesellschaft »Lending Club« in den Vereinigten Staaten. Inzwischen ist die Firma an der Börse notiert und hat Kredite über 20 Milliarden Dollar vermittelt. Auch in anderen Ländern sind zahlreiche Online-Kreditplattformen entstanden. Als Marktführer in Deutschland gilt Auxmoney.

Im vergangenen Jahr investierten Kapitalgeber hierzulande 1,2 Milliarden Euro in Fintech-Unternehmen. Deutschland ist damit hinter Großbritannien zweitgrößter Standort in Europa. Über 250 Fintechs beschäftigen deutschlandweit etwa 13 000 Menschen. Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. In Deutschland haben sich danach vor allem zwei Regionen hervorgetan: der Rhein-Main-Neckar-Raum und Berlin.

850 Euro sparen?

Stürmisch läuft die Entwicklung im Versicherungsgeschäft. Das gilt zunächst für Fast-Schon-Klassiker, für die Vergleichsportale. Internetplattformen wie Check24 oder Verivox werben mit »Bis zu 850 Euro sparen - Über 200 Tarife vergleichen«.

Wie unabhängig solche »unabhängigen Versicherungsmakler« tatsächlich sind, ist unter Experten umstritten. Üblicherweise finanzieren sich die Vergleichsportale wie normale Versicherungsvertreter und -makler über Provisionen. Diese Maklerlöhne zahlen Versicherer, Banken und Fondsgesellschaften nach einem Geschäftsabschluss. Wie weit solche Zahlungen in die Bewertungen durch die Vergleichsportale einfließen oder nicht, ist geheim.

Für Verbraucher bringt es daher oft nichts, wenn sie mehrere Vergleichsportale miteinander vergleichen! Zudem sind die Ergebnisse oft identisch. Im Bundesfinanzministerium wird mitt- lerweile über neue Regeln für Internetportale nachgedacht. Vergleichsseiten sollen etwa ihre Provisionen offenlegen.

Neuland betreten reine Versicherungs-Fintechs. Viele »Insuretechs« tummeln sich auf dem Gesundheitsmarkt, etwa Anbieter von Gesundheits-Apps und »Wearables«. Das sind beispielsweise Fitnessarmbänder, die Daten von Joggern aufzeichnen und gegebenenfalls auch an den Versicherer übertragen. Die private Generali-Krankenversicherung verspricht dafür Boni und andere Vergünstigungen. Am Beispiel des italienischen Versicherungskonzerns ist zu sehen, wie fließend die Übergänge zwischen alten und neuen Akteuren sind.

Fit per Smartphone

In Deutschland buhlen aber auch digitale »Versicherungsmanager« wie Getsafe oder Clark um Kunden. Sie versprechen einen optimierten Versicherungsschutz. Das »komplizierte Thema« soll so leicht wie möglich gemacht werden. »Dies bieten wir dir in einer digitalen und kostenlosen Komplettlösung auf deinem Smartphone« - verspricht die Werbung. Dazu gehören dann auch »passende« Vertragsangebote.

Spätestens bei den Policen greifen »Manager« häufig auf die altbekannten Anbieter von Allianz bis Zurich zurück. Das tut Community Life anders: Ziel der Gründer ist »die volle Transparenz für den Kunden«, von der Antragstellung über die Schadenregulierung bis zur Verwendung der Überschüsse des Unternehmens für soziale Zwecke. Alles bequem vom Sofa aus und per Handy oder Rechner. Hinter den Policen steht der Schweizer Rückversicherer Swiss Re.

Ähnlich wie Kreditportale von privat für privat scheint Friend- insurance zu funktionieren. Das Unternehmen stellt nach dem angelsächsischen Beispiel von Jointly oder Peersure Kundengruppen zusammen, die sich untereinander vertraglich zum Deckungsschutz verpflichten. Diese genossenschaftliche Idee, der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, hat in der Assekuranz eine lange Tradition. Allerdings werden bei Friendinsurance nur kleine Schäden freundschaftlich in der Gruppe bezahlt - bei größeren greifen klassische Verträge, die der Fintech-Finanzdienstleister mit 70 Versicherungsunternehmen abschließt.

Viele Fintechs sind bestenfalls digitale »Gimmicks«, nette Zugaben zu Altbekanntem. Verbraucher sollten skeptisch bleiben. Man sollte wirklich unabhängige »Makler« nutzen, wie Verbraucherzentralen, Stiftung Warentest, Bund der Versicherten oder das gemeinnützige Online-Verbrauchermagazin »Finanztip«.

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