Vom Dürfen und Müssen

Gebrauchsrechte und -pflichten im Mietverhältnis (Teil 1)

  • Lesedauer: 4 Min.

Die »eigenen« vier Wände gelten als Rückzugsraum, als Ort individueller Entfaltung. Regulierungen werden da schnell als Einschränkung der persönlichen Freiheit empfunden. Das Problem: Der Vermieter hat vielleicht eine ganz andere Vorstellung davon, was »normales« Wohnen ist und was seinem Eigentum schadet oder aus anderen Gründen zu unterbleiben hat. Außerdem gibt es da noch die Nachbarn, die nicht hinnehmen wollen, dass nachts Schlagzeug gespielt oder die Wohnung zum Ferienapartment wird.

Übrigens dürfen auch Eigentümer einer Etagenwohnung nicht schalten und walten, wie sie wollen. Zum einen, weil sie damit vielleicht andere Hausbewohner stören, zum anderen, weil die Wohnungseigentümergemeinschaft ein Wörtchen mitzureden hat, wenn es beispielsweise um bauliche Veränderungen geht.

Die Frage, in welcher Art und Weise man die Wohnung sowie die Gemeinschaftsräume nutzen darf, sorgt daher immer wieder für Streit und befasst nicht selten die Gerichte.

Was steht im Mietvertrag?

Selbstverständlich steht es Ihnen als Mieter frei, Ihre Wohnung nach Ihrem persönlichen Geschmack und Ihren Bedürfnissen einzurichten und zu nutzen - solange keine vertragswidrige Nutzung vorliegt. Die entscheidende Frage ist dabei: Was ist »vertragsgemäß« und was nicht?

Gehört ein Home Office heutzutage zum normalen Wohngebrauch oder ist das schon eine gewerbliche Nutzung? Wo steht geschrieben, ob man in seiner Wohnung nach Herzenslust rauchen oder ob man im Treppenhaus ein Bild aufhängen darf? Und was ist mit den Gebrauchspflichten, an die sich Mieter halten müssen, etwa um Schäden an der Wohnung vorzubeugen? Muss man wirklich bei Abwesenheit im Winter die Heizung betreiben? Gibt es eine Verpflichtung, den Heizungsableser hereinzulassen?

Die sogenannten Gebrauchsrechte und -pflichten des Mieters stehen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht im Gesetz. Lediglich zur Gebrauchsüberlassung an Dritte, sprich Untervermietung, findet sich ein Paragraf im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Ansonsten beschränkt sich das BGB im Wesentlichen auf Regelungen zur Kündigung, Mieterhöhung und Modernisierung.

Die meisten Rechte und Pflichten ergeben sich allerdings aus den vertraglichen Vereinbarungen. »Was steht in Ihrem Mietvertrag?« Das ist die Frage, bedeutet aber nicht, dass alles, was im Vertrag steht, gültig ist. Viele Formularklauseln sind unwirksam. Dennoch ist der Mietvertrag samt Hausordnung eine wichtige Basis. Auch schriftliche Korrespondenz und mündliche Absprachen mit dem Vermieter können Auskunft darüber geben, was vereinbart wurde.

Hat sich auf diesen Wegen nichts herausfinden lassen, etwa weil nichts zur Tierhaltung vereinbart wurde, muss die Rechtsprechung herangezogen werden. Im Einzelfall werden stets die Interessen des Mieters und des Vermieters gegeneinander abgewogen. Allgemeingültige Entscheidungen gibt es nicht. Dass ein Düsseldorfer Gericht die Kündigung eines Kettenrauchers für zulässig hielt, bedeutet mitnichten, dass man in der Wohnung oder auf dem Balkon nicht rauchen darf.

Um zu prüfen, was im Einzelfall zulässig ist, werden neben Gerichtsurteilen mitunter auch Grundrechte, etwa das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit oder das Recht auf freie Meinungsäußerung in die Waagschale geworfen. Auch öffentlich-rechtliche Vorschriften, Denkmalschutz oder die Brandschutzverordnung, können eine Rolle spielen.

Um beim Rauchen zu bleiben: Der Mieter hat grundsätzlich einen Anspruch darauf, in seinem Privatbereich rauchen zu dürfen. Das gehört zu seinem Recht auf freie Entfaltung. Auf der anderen Seite hat der Vermieter ein berechtigtes Interesse daran, dass sein Eigentum keinen Schaden nimmt. Das dürfte allerdings nur bei exzessivem Qualmen zu befürchten sein.

Die Interessen Dritter, etwa der Nachbarn, spielen nur indirekt eine Rolle, nämlich im Zusammenhang mit dem Befriedungsinteresse des Vermieters. Ihm ist schließlich daran gelegen, eine Störung des Hausfriedens zu verhindern und Ansprüche anderer Mieter, etwa durch Gesundheitsschäden, abzuwehren.

Der Zeitgeist am Richtertisch

Das Beispiel Rauchen zeigt zudem, dass die Rechtsprechung dem Zeitgeist unterliegt. Noch vor wenigen Jahren wurde dem Schutz der Nichtraucher weniger Wert beigemessen. Gleiches gilt für den Einbau zusätzlicher Steckdosen oder dem Spülmaschinenanschluss.

Nicht zu vergessen: Auch persönliche Vorlieben und Empfindlichkeiten der urteilenden Richter können eine Rolle spielen. Wer eine Spinnenphobie hat, wird vielleicht weniger Verständnis für die Haltung von Vogelspinnen in der Wohnung aufbringen. Die Rechtsfindung ist gerade bei der Frage der Nutzung der Wohnung kompliziert.

Aus: MieterMagazin 7+8/2016

In Teil 2 geht es um die Nutzung der Mieträume und der Räume außerhalb der Wohnung.

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