Einkauf am Boden

Jirka Grahl über brasilianisches Shopping auf den Straße von Rio

Wo die Temperaturen hoch und Wohnungen teuer sind, weicht das Leben gern auf die Straße aus. Auch in Rio: Ein Großteil des Carioca-Lebens spielt sich draußen ab, und die fliegenden Händler haben sich längst drauf eingestellt. Passanten sind immer auch Kunden.

Der Pipoca-Mann steht mit seinem Wagen an beinahe jeder Ecke und verkauft Popcorn, süß oder salzig, meist ist der Tapioca-Mann nicht weit mit seinen Pfannkuchen aus Maniokmehl. An den Kreuzungen der Zona Sul gehen Jungs mit »Agua, Agua«-Rufen durch die Autoschlangen. In der Vorortbahn zum Leichtathletikstadion schleppen Getränkeverkäufer schwere Säcke durch die Waggons: Wasser, Bier, Guaranavita, Cola - umhüllt von Eiswürfelbergen.

Andere tragen witzige Besenstiel-Kostruktionen, an denen 20 Sorten Nüsse, Kekse, Chips und Schokolinsen in kleinen Platiktütchen aufgereiht sind. Wer eine Packung gekauft hat, gibt dem Verkäufer das Tütchen zurück. Sparsamkeit und Umweltschutz in vollkommener Harmonie.

Noch populärer ist »Shopping Chao«, übersetzt in etwa: Einkaufen am Boden. Auf dem Bürgersteig jeder belebten Straßen bieten Verkäufer ein wildes Durcheinander aus brauchbaren Dingen und unnützem Tand an: Sternfrüchte, Vorhängeschlösser, Kochbananen, Stringtangas, Brasilientrikots, Nasentrimmer, Wassermelonen, Mückenspray - alles wird ausgebreitet auf Decken feilgeboten. »Seit der Krise kaufen die Leute noch viel mehr bei uns«, erzählt einer, bei dem ich angehalten habe, weil er eine Hündin und drei drollige Welpen dabei hat, die neben ihm auf seiner Verkaufsdecke rumtollen.

»Schau mal hier, brauchst Du Kaugummi?« Ich schüttele den Kopf. »Kopfhörer vielleicht?« Nein. Als ich gehen will, drückt er mir das Hündchen auf den Arm: »Zehn Reais, bitte, nimm mit!« Drei Euro für ein Hundebaby! Dankend nehme ich Reißaus. Ich denke an meine Kinder daheim: Die dürfen erst nach Rio, wenn sie groß und vernünftig sind.

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