Wen CDU und SPD entlasten wollen

Koalitionspolitiker möchten die Überschüsse des Bundes nutzen, um Steuern zu senken

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.

»Der Staat erzielte im ersten Halbjahr 2016 nach vorläufigen Ergebnissen einen Finanzierungsüberschuss von 18,5 Milliarden Euro.« Diese Meldung des Statistischen Bundesamtes vom Mittwoch heizt die Steuerdebatte mächtig an. Union und SPD suchen zündende Wahlkampfthemen und viele meinen, hier fündig geworden zu sein. So wie Carsten Linnemann, der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung von CDU/CSU, der in den Zahlen einen »Beleg für die Notwendigkeit von Entlastungen« sieht. Der »Stuttgarter Zeitung« vom Donnerstag sagte er: »Steuersenkungen sind nicht nur möglich, sondern auch bitter nötig.« Der Staat solle ein Drittel der Steuermehreinnahmen an Bürger und Unternehmen zurückgeben, so der Unionspolitiker.

Sein Parteikollege, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, denkt seit längerem »laut« über mögliche Steuersenkungen nach. In seinem Ministerium wird derzeit ein entsprechendes Konzept erarbeitet, das aber erst nach der kommenden Bundestagswahl greifen soll. Ein wichtiger Punkt auf seiner Steuerreformagenda ist die Entlastung mittlerer Einkommen. Wobei sich die Frage stellt, wo Schäuble die Mitte verortet, denn er will die Schwelle zum Spitzensteuersatz »deutlich« anheben. Derzeit zahlt ein Alleinstehender mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von mehr als 53 000 Euro den Spitzensatz von 42 Prozent. Es geht also um den gehobenen Mittelstand, den offenbar auch die SPD für sich gewinnen will.

Der niedersächsische SPD-Ministerpräsident Stephan Weil sieht die fiskalpolitischen Umtriebe der CDU mit Sorge. Man dürfe der Union das Feld nicht überlassen, warnte Weil seine Partei in der »Neuen Osnabrücker Zeitung« vom Donnerstag.

»Ich halte einen deutlich zweistelligen Milliardenbetrag als Entlastung für realistisch«, sagte Weil. Insbesondere die Mittelschicht müsse entlastet werden. Die Mitte verortet auch Weil dort, wo viel verdient wird. Der Spitzensteuersatz greife zu früh, so Weils Analyse.

Unterstützung kam am Donnerstag von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann: Er begrüßte den Vorschlag, den Spitzensteuersatz später greifen zu lassen. Die Einkommensgrenze »unter 60 000 Euro« sei dafür zu früh. Zudem machte Oppermann offiziell, was viele schon vermuteten: Die SPD werde im Rahmen ihres Wahlprogramms im kommenden Jahr ein Konzept vorlegen, um Be- und Entlastungen neu zu justieren, so der Fraktionsvorsitzende.

Der Chef der Gewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, wird das gern hören, verdienen seine Mitglieder doch oft sehr gut. »Der Steuertopf ist fett gefüllt mit dem Geld meiner Leute. Wenn da nicht endlich was zurückfließt, dann sind die richtig sauer«, sagte Vassiliadis nun »Bild«.

Bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sieht man die Angelegenheit differenzierter. Ralf Krämer, bei ver.di für Wirtschaftspolitik zuständig, erklärte am Donnerstag gegenüber »nd«: »Die Überschüsse müssen genutzt werden, um endlich die öffentliche Infrastruktur wieder in einen vernünftigen Zustand zu bringen. Bei Kitas, Schulen, Gesundheit und Pflege, überall gibt es große ungedeckte Bedarfe.«

Kleine und mittlere Einkommen könne man durchaus entlasten, sagte Krämer, aber im Gegenzug müsse man hohe Einkommen, Millionenvermögen und -erbschaften und finanzstarke Konzerne endlich angemessen heranziehen. »Insgesamt brauchen wir mehr und nicht weniger öffentliche Einnahmen. Darüber sind sich die Gewerkschaften im DGB eigentlich auch einig«, so Krämer.

Der Direktor des gewerkschaftsnahen IMK-Instituts, Gustav Horn, warnte in den »Ruhr Nachrichten« vor Steuersenkungen. »Bund und Kommunen investieren zu wenig. Wir verschleißen mehr als wir erneuern. Die sinnvollste Verwendung der Überschüsse wären mehr Investitionen.«

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