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Neue Warnstreiks an der Charité

Mitarbeiter der Krankenhaus-Töchter suchen gemeinsame Ideen für den Arbeitskampf

  • Nelli Tügel
  • Lesedauer: 3 Min.

»Neu sind nicht die Probleme - die gibt es seit Jahren. Neu ist die Hoffnung. Jetzt können wir etwas ändern«, sagt der Krankenpfleger Thomas Pottgießer vom Kreuzberger Urban-Krankenhaus am Montagabend. Mehr als 100 Kollegen sind in die ver.di-Zentrale am Ostbahnhof gekommen, um unter dem Titel »Aktiv für mehr Personal und gegen Lohndumping« auszuloten, wie sich die Arbeitskämpfe an der Charité und bei Vivantes zusammenführen lassen.

Und das sind einige Kämpfe, wie das voll besetzte Podium zeigt. Kati Ziemer und Tarkan Barutcu sprechen für die Beschäftigten der outgesourcten Tochtergesellschaften, die sich gegen Niedriglöhne und Befristungen wehren. Victoria Al Hourani ist Krankenschwester im Klinikum am Urban und berichtet von Personalnot und den ver.di-Plänen, einen Tarifvertrag für mehr Mitarbeiter bei Vivantes zu erstreiken: »Wir stehen in den Startlöchern.« Eine Ärztin vom Klinikum Neukölln ist da, ebenso das Solidaritätsbündnis »Berlinerinnen und Berliner für mehr Personal im Krankenhaus« und die Ergotherapeutin Charlotte Rutz-Sperling von Vivantes.

Der Zeitpunkt der Veranstaltung ist nicht zufällig gewählt. An beiden Kliniken stehen Arbeitskämpfe unmittelbar bevor - mal wieder. Neu ist, dass die Streiks zunehmend vernetzt und zeitgleich stattfinden. Beschäftigte der tariflosen Tochtergesellschaft Charité CFM Facility Management werden am 7. September mit Beginn der Frühschicht in einen eintägigen Warnstreik gehen. Die CFM ist verantwortlich für die nichtmedizinischen sowie nichtpflegerischen Tätigkeiten wie Reinigung, Zentralsterilisation und Hausmeisterdienste. Ver.di fordert, den Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes (TVöD) für alle der mehr als 2000 Kollegen der CFM anzuwenden. Bisher liegen deren Löhne 30 bis 40 Prozent unter TVöD-Niveau.

Die Beschäftigten der Vivantes Servicegesellschaft (VSG) führen seit Anfang des Jahres ebenfalls den Kampf um die Übernahme in den TVöD. Dafür wurde dieses Jahr bereits mehrfach gestreikt (»nd« berichtete). Nachdem am 25. August in einer ver.di-Mitgliederbefragung ein Arbeitgeberangebot mit 90 Prozent der Stimmen abgelehnt wurde, sind Streiks in der nächsten Woche möglich. Arbeitskämpfe in diesen Bereichen seien aber »keine Selbstläufer«, sagt ver.di-Sekretär Kalle Kunkel. Bei den CFM-Kollegen gebe es viele Ängste. Die Bereitschaft des Arbeitgebers, Streikbrecher einzusetzen, sei groß.

Brandherde - das wird an diesem Abend klar - gibt es viele. Aber die Stimmung ist auch optimistisch, vor allem weil die Charité-Beschäftigten im vergangenen Jahr einen Tarifvertrag für mehr Personal erstreiken konnten. »Jetzt können wir fragen: Jammerst du noch oder streikst du schon?«, sagt Pottgießer. Ende Juli hat ver.di eine Tarifkommission gebildet, um mehr Personal auch bei Vivantes durchzusetzen. Damit ist der erste offizielle Schritt auch in dieser Auseinandersetzung bereits getan.

Thema ist an diesem Abend immer wieder die Krankenhausfinanzierung. Assistenzärztin Johanna Henatsch sagt, die Krankenhäuser seien »zu Wirtschaftsunternehmen geworden.« Und Kalle Kunkel ergänzt, dass »Haushaltskürzungen süchtig machen, weil sich die Politik ganz schnell daran gewöhnt.«

Kurz vor Ende meldet sich die haushaltspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus - Manuela Schmidt - zu Wort. Die 2006 unter Regie von Rot-Rot gegründete CFM sei »eine der Sünden, auf die wir nicht stolz sind«. Und mit Blick auf einen möglichen rot-rot-grünen Senat: »Wenn es die Einnahmesituation des Landes hergibt, dann sollen auch die Beschäftigten beteiligt werden.« Ein Stöhnen geht durch die Runde. Bei den Anwesenden kommen solche Versprechen unter Vorbehalt nicht gerade gut an. Applaus erntet dagegen Al Hourani: »Solange es einen BER gibt, der zig Milliarden schluckt, ist es nicht unsere Aufgabe, auch noch zu klären, woher das Geld für eine ordentliche Krankenversorgung kommen soll.«

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