Mein Kollege R2D2

Arbeitgeber und Gewerkschaften streiten über Regulierung in der digitalen Arbeitswelt

  • Josephine Schulz
  • Lesedauer: 4 Min.

Arbeit 4.0 ist ein knackiger Slogan. Kurz, futuristisch und irgendwie hip. Was sich jeder Einzelne unter der vierten industriellen Revolution vorstellt, ist jedoch sehr unterschiedlich. Die öffentliche Debatte erscheint als Streit zweier unversöhnlicher Lager: auf der einen Seite Technikoptimisten, die in jedem Smartphone-Spiel emanzipatorisches Potenzial entdecken, auf der anderen Skeptiker, die vor einem gläsernen Käfig am Arbeitsplatz warnen und die Wegrationalisierung des Menschen beschwören - mag der kultige Roboter R2D2 aus dem Filmepos Star Wars noch so treuherzig daherkommen.

Die Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat zu diesem Thema einen Dialogprozess eingeleitet, im April 2015 wurde ein Grünbuch vorgestellt, bis zum Ende des Jahres soll ein Weißbuch erscheinen. Nun trafen sich in diesem Rahmen Vertreter der Gewerkschaften sowie der Unternehmerseite. Die Gewerkschafter gaben sich alle Mühe, nicht als Technikfeinde missverstanden zu werden. Dennoch: Die Sorgen überwiegen. In einem Vorab-Auszug des DGB-Index Gute Arbeit gaben 46 Prozent der Befragten an, ihre Arbeitsbelastung steige durch Digitalisierung. Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zufolge leisteten die Deutschen 2015 etwa eine Milliarde unbezahlter Überstunden. Und auch die Zahl der Leiharbeiter ist nach einer Kleinen Anfrage der Linksfraktion so hoch wie nie. Angesichts dieser Statistiken erscheinen die Sorgen der Arbeitgeberseite kaum gerechtfertigt. Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes BDA kritisierte, die Debatte konzentriere sich einseitig auf die Ansprüche der Arbeitnehmer. Die Flexibilisierungsinteressen der Unternehmen und Kunden würden untergeordnet behandelt.

Zumindest in einem Punkt herrscht Einigkeit: Eine Einheitslösung wird es angesichts der ausdifferenzierten Berufsfelder und unterschiedlichen Ansprüche kaum geben. Streitgegenstand sind die Rahmenbedingungen, in denen Aushandlungsprozesse über neue Arbeits- und Produktionsformen stattfinden sollen. Im Kern geht es um die Frage gegenwärtiger und zukünftiger gesetzlicher Regelungen. Kampeter warnt insbesondere vor »einseitigen Rechtsansprüche der Arbeitnehmer«, beispielsweise auf Home-Office oder flexiblere Arbeitszeiten. »Wenn jeder seine Arbeitszeit reduzieren kann, wie er möchte, muss der Arbeitgeber diese Lücken füllen. Am Ende steht er als der Böse dar, weil der dazu prekäre Arbeitsverhältnisse schafft.« Die im Arbeitszeitgesetz festgelegte Ruhepause von zusammenhängenden 11 Stunden würde individuelle Aushandlungsprozesse, ebenso wie Lösungen zur Vereinbarkeit für Beruf und Familie einschränken. Das bedeute keinesfalls, dass man den 8-Stunden-Tag angreifen wolle. In der Stellungnahme des BDA zum Grünbuch klingt das anders. Dort wird die »Umstellung der Tageshöchstarbeitszeit auf eine Wochenhöchstarbeitszeit« vorgeschlagen.

DGB-Chef Reiner Hoffmann plädiert indes für gesetzliche »Leitplanken«. Die derzeitigen arbeitsrechtlichen Regelungen böten genug Spielraum für Aushandlungsprozesse. Er kritisiert, dass die Arbeitgeber in Tarifverhandlungen Arbeitszeitansprüche der Beschäftigten ignorierten. »Wir wollen Arbeitszeit stärker über die gesamte Erwerbsbiografie gestalten. Dabei haben wir in allen Tarifverhandlungen Probleme mit euch«, so Hoffmann.

Thorben Albrecht, Staatssekretär im Arbeitsministerium, meint: »Wir müssen der Vielseitigkeit der Arbeitswelt gerecht werden. Aber natürlich sind Arbeitgeber gerade in niedrig qualifizierten Bereichen ohne Tarifbindung in einer besseren Position.« Tarifvertragliche Regelungen seien ihm »immer noch das Liebste«. Dafür müssten die aber auch wieder flächendeckend gelten. Auch in der Stellungnahme der Wirtschaft wird die Tarifpartnerschaft unterstrichen. Allerdings heißt es dort: »Gute Rahmenbedingungen werden in Zukunft vor allem in tariflichen Öffnungsklauseln bestehen.« Aushandlungsprozesse sollten demnach also möglichst auf Betriebsebene ablaufen.

Doch was passiert jenseits von Verdichtung und Flexibilisierungen mit denen, deren Jobs durch die Digitalisierung überflüssig werden? Mit Postboten, wenn Pakete per Drohnen ausgeliefert, oder Taxifahrern, wenn selbstfahrende Autos Standard werden? Gesamtmetallpräsident Rainer Dulger hält Prognosen über Arbeitsplatzverluste für Panikmache.

Der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, dagegen glaubt: »Wir sollten nicht darauf vertrauen, dass durch Digitalisierung neue Jobs entstehen.« Bsirske will daher die Digitalisierungsrendite abschöpfen und in soziale Berufsfelder investieren. Um die Beschäftigten für neue Anforderungsprofile in der digitalisierten Welt fit zu machen, schlägt der ver.di-Chef eine Bildungsteilzeit nach österreichischem Modell vor. Dabei könnten Beschäftigte die Arbeitszeit für Weiterbildung auf bis zu 50 Prozent reduzieren und Ausgleichszahlungen vom Staat erhalten. Denn - und auch in diesem Punkt sind sich Gewerkschaften und Arbeitgeber im Grunde einig - ohne digitale Skills geht in der neuen schönen Arbeitswelt nichts.

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