Angst als Kitt

Einigkeit gegen »Fremdes«

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.

Ziehen wir die Zugbrücken hoch, Veränderung ist Teufelszeug! So lässt sich der Inhalt eines Brandbriefes zusammenfassen, den EU-Ratspräsident Donald Tusk vor dem Treffen in Bratislava an die Teilnehmerregierungen verschickte. Er wolle nur seine persönlichen Ansichten mitteilen, schreibt er. Offenkundig sind die jedoch identisch mit einem allgemeinen Unvermögen der alten politischen Machtzentren. So wie die USA hat auch die EU nicht begriffen, dass sie ihre Führungsrolle zunehmend mit anderen globalen Akteuren teilen müssen.

EU-Europa sollte nichts mehr hassen als Veränderung, macht Tusk klar und fordert im Namen »der« Bürger »Garantien der Sicherheit« und den »Schutz ihrer Interessen« ein. »Die« Menschen erwarten, dass »die« Politik ihr »kulturelles Erbe und den Lebensstil« bewahren hilft. Immer mehr Menschen in der EU, so warnte Tusk, würden zweifeln, ob die politischen Eliten fähig seien, »die Kontrolle über die Ereignisse und Prozesse wiederherzustellen«.

Nicht ganz so ungeniert nutzte Kommissionschef Jean-Claude Juncker in seiner Rede über die Lage der Union die Angst »der« Menschen als Kitt für die zerbröselnde EU. Doch auch er forderte, sich um mehr Sicherheit zu bemühen. Nach Außen und nach Innen. Juncker mahnte den raschen Aufbau eines gemeinsamen Grenz- und Küstenschutzes an - gerade so, als gebe es nicht bereits ein umfangreiches Instrumentarium zur Abwehr »der Fremden«. Darüber hinaus sollen sich Reisende auch in Europa - so wie in den USA - vorab registrieren lassen, damit ihre Daten mit Terrordatenbanken abgeglichen werden. Die auf verschiedene Weise, national wie im EU-Rahmen, gesammelten Daten sollen zusammengeführt und der Informationsaustausch zwischen Geheimdiensten und Polizeien erleichtert werden. Das alles und viel mehr geschieht bereits. Offen und verdeckt, entweder jenseits der Zuständigkeiten nationaler Parlamente oder - wie auch in Deutschland - durch eilfertige Gesetzesänderungen.

Nachdem das Referendum in Großbritannien den Ausstieg des Landes aus der EU eingeleitet hat, bemühen sich Frankreich und Deutschland in auffälliger Weise, die politische Fehlstelle zu besetzen und den restlichen 25 Mitgliedsländern klar zu machen, wohin die Reise geht. Unter anderem wollen Paris und Berlin die EU - neben der NATO - mit einsetzbaren militärischen Instrumenten ausstatten. Die Belebung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist der Versuch, durch partielle militärische Attacken aus der Festung Europa heraus Interessen durchzusetzen. Dazu braucht es nicht nur ein gemeinsames Hauptquartier sondern auch die engere Kooperation national organisierter Armeen. Dazu will man auch neue Bündnisse mit - wie es heißt - befreundeten Mächten insbesondere in Afrika knüpfen.

Was die EU unternehmen könnte, um die Lage ihrer Bürger nachhaltig zu verbessern - mehr Jobs, mehr soziale Gerechtigkeit und Entwicklungschancen für jedermann - bleibt dagegen in altbekannte Worthülsen gepresst.

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