»Ich kann dagegen einfach nicht mehr anschreiben«

Veselin Popovic hat sieben Jahre als »Lauter Bautz’ner« gebloggt. Nach den rassistischen Ausschreitungen der vergangenen Tage stellt er seine Website ein

  • Vincent Körner
  • Lesedauer: 4 Min.

Er war die Stimme eines anderen Bautzen, sein Blog gehörte zu den auch bundesweit beachteten regionalen Webseiten. Nun stellt Veselin Popovic seine Website »Lauter Bautz’ner« ein – als Reaktion auf die rassistischen Hetzjagden gegen Geflüchtete und vor allem wegen der politischen Reaktionen der Stadt darauf. »Die Stadt, der Landkreis, die Polizei, die Zivilgesellschaft – sie alle haben sich entschieden. Bautzens Zukunft wird zukünftig durch die Expertise gewalttätiger Neofaschisten mitbestimmt«, schreibt Popovic mit Blick auf Äußerungen des parteilosen Oberbürgermeisters Alexander Ahrens, der sich offen für Dialog mit Rechtsradikalen gezeigt hatte. »Zu einem sachlichen Gespräch bin ich immer bereit«, war er zitiert worden – nachdem mehrere Neonazi-Gruppierungen eine »Ruhepause« der Aufmärsche angekündigt und dies mit ultimativen Forderungen verbunden hatten.

Mit drohenden Neonazis reden?

Was sich hinter der »Nationalen Front Bautzen« oder »rechtes-kollektiv.BZ« verbirgt, darüber kann es nicht den leisten Zweifel geben: Im Netz machen die Gruppen mit offen neonazistischer Propaganda Front. Sie drohten der Stadt damit, weiter zu mobilisieren, wenn es keine »spürbare Verbesserung der Situation« in Bautzen gebe – in ihrem Sinne. Parolen wie »Es wird Zeit, dass ihr Ratten uns Deutsche wieder fürchtet« oder Abbildungen von Wehrmachtssoldaten mit dem Schriftzug »Wir bleiben deutsch« sind das klar rechtsextremistische Aushängeschild der »Nationalen Front Bautzen«. Dass sich Ahrens mit solchen Neonazis beraten wolle, stieß im Netz und bei der Linkspartei auf scharfe Kritik. »Ich fände es ja besser mit Demokraten über Probleme mit Rechtsradikalen in Bautzen zu sprechen«, sagte etwa die sächsische Bundestagsabgeordnete Caren Lay via Twitter. Der Landesvorstand der sächsischen Linkspartei warnte inzwischen vor einer »National befreiten Zone«, das Auftreten der Rechtsradikalen zeige, »wie sicher sich diese Nazis in Bautzen« fühlten.

Blogger Popovic hat in seinem Abschiedstext die »offizielle Umsetzung« der in den vergangenen Tagen durch gewaltsam auftretende Rechtsradikale und Rassisten demonstrierten »Menschenverachtung durch den Landkreis« beklagt, »der jugendliche Ausländer aus dem Stadtbild entfernt; durch die Polizei, die es nicht schafft, tobenden Nazis ihre Grenzen aufzuzeigen; mit dem Gesprächsangebot des Oberbürgermeisters gegenüber denjenigen, die nichts anderes im Sinn haben, als Bautzen Deutsch zu halten«. Enttäuschung und Kritik richtet der Lauter Bautz’ner auch in Richtung eines Großteils der Bürgerinnen und Bürger der Stadt, »die sich als hehres Ziel einer demokratischen Gesellschaft ›Ruhe & Ordnung‹ ausgesucht haben«.

»Einfach waren meine Antworten nie«

Es ist ein Abschied nach sieben Jahren kritischer Begleitung der Entwicklung einer Stadt, in dessen Ostteil Popovic selbst aufgewachsen ist. Er habe mit seinen Texten versucht, schreibt Popovic, »der Stadt Impulse für eine lebenswerte Kommune mitzugeben«. Versucht, etwas für ein tolerantes Miteinander zu tun. »Einfach waren meine Antworten nie. Die Stadt sucht nun aber genau nach diese einfachen Antworten. Und bekommt sie, rassistisch.«

Popovics Blog beschäftigte sich mit den Menschen in Bautzen, mit der Politik, mit der Kultur. Popovic engagierte sich auch im »Lauter Bautz’ner Radio«, auch einen kleinen Online-Laden gab es. Wie es damit weitergeht, ist noch offen. Dass Popovic aber seinen Blog einstellt, ist entschieden. Es war eine Entscheidung in großer Sorge. »Mit der gleichberechtigten Teilhabe von Anti-Demokraten an der zukünftigen Stadtentwicklung geht die Hauptstadt der Oberlausitz ein Experiment ein, das die demokratischen Verhältnisse nachhaltig schwächen wird«, schreibt Popovic – und hält der Stadt den Spiegel vor. Er selbst möchte für einen solchen »Pluralismus« mit seinem Blog »nicht das alternativ-kritische Feigenblatt einer Stadt sein, die eingeknickt ist vor jenen, die ›Stolpersteine‹ mit Teer unkenntlich machen, junge Linke durch Straßen jagen, Sorben nur einmal im Jahr hoch zu Ross ertragen, ›Neger, ich mach dich tot’ schreien – die Nazikieze etablieren wollen.« Er könne und wolle nach all den Jahren »einfach nicht mehr gegen diesen historischen Akt institutioneller Torheit anschreiben«.

»Wir brauchen uns alle«

Leserinnen und Leser des Blogs reagierten traurig auf den Abschied, zornig über die Bautzener Verhältnisse – aber auch mit viel Verständnis. »Ich kann dich auf einer Ebene verstehen auf der anderen Seite bin ich einfach nur traurig«, schreibt da eine Caro. »Richtige Reaktion«, findet ein Robert die Schließung des Blogs. Andere wie Petra appellieren, nicht aufzugeben: »Wir brauchen uns alle.« Dieser Blog sei für ihn »ein Leuchtfeuer« gewesen, schreibt Marcel. Das Ende sei »ein riesiger Verlust«.

Blogger Veselin Popovic hat auch noch einen letzten Gruß an seine Leserinnen und Leser und all jene, die sich mit den Verhältnissen in Bautzen nicht abfinden wollen: »An alle, die stabil geblieben sind, sag ich: bleibt es weiterhin!«

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