EuGH: Klagen gegen Troika-Auflagen sind möglich

Europäischer Gerichtshof urteilt über Krisenpolitik: Schadenersatz möglich, wenn »Reform«-Auflagen Grundrechte verletzen / Giegold: Ein Durchbruch

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Der Grüne Sven Giegold spricht von einem »Durchbruch für den Grundrechtsschutz«, der Jurist Andreas Fischer-Lescano wird mit den Worten zitiert, es sei ein »historisches Urteil«: Laut einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist es grundsätzlich möglich, gegen die so genannte Troika der Gläubiger-Staaten auf Schadenersatz zu klagen, wenn die von den Institutionen verhängten Auflagen nachweislich Grundrechte verletzten.

»Die Richter öffnen die Tür für Schadensersatzklagen gegen Troika-Maßnahmen in Griechenland, Portugal, Irland und Zypern, die den sozialen Grundrechten widersprechen«, sagte Giegold. Damit könnten die in den Krisenländern »von sozial einseitigen Strukturanpassungsprogrammen Betroffenen« nun ihre Forderungen auf dem Rechtsweg durchsetzen, so der Europaabgeordnete. Er kündigte an, Bürger bei ihren Klagen zu unterstützen - »um den Schutz europäischer Grundrechte voranzubringen«.

In dem Urteil heißt es, dass die Kommission »sicherstellen, dass ein solches MoU (Memorandum of Understanding) mit den in der Charta verbürgten Grundrechten vereinbar ist«. Gegenüber Spiegel online sagte der Bremer Rechtswissenschaftler Andreas Fischer-Lescano, das Urteil sei »längst überfällig«. Seiner Ansicht nach sei eine Klage nun etwa in dem Fall möglich, dass ein Grieche wegen der Auflagen der Troika im Zusammenhang mit den so genannten »Hilfskrediten« sich notwendige Medikamente nicht mehr leisten konnte und dadurch Schäden davongetragen hat.

Das Urteil lässt seine Substanz nicht auf den ersten Blick erkennen. Mehrere Kläger aus Zypern, deren Einlagen bei der Umstrukturierung des zyprischen Finanzsektors im Jahr 2013 erheblich an Wert verloren hatten, waren gegen die Europäische Kommission und die Europäische Zentralbank (EZB) vor Gericht gezogen. Unter anderem forderten sie Schadenersatz. Die Kommission habe mit ihrem Vorgehen im Sinne des Gemeinwohls der EU gehandelt, entschied der EuGH am Dienstag in Luxemburg. Es sei um die Stabilität des Bankensystems im Euro-Raum gegangen. Die Richter argumentierten nun, dass Schadenersatzforderungen gegen EU-Kommission oder EZB im Prinzip möglich wären, wenn sich die Behörden falsch verhalten hätten. Das sei hier aber nicht der Fall gewesen. vk/mit Agenturen

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