Elbe bei Mühlberg wird besänftigt

Sanierter Deichabschnitt erhielt Überlaufwerk zur Flutung von Polderflächen bei Hochwasser

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 4 Min.

Nordöstlich des Mühlberger Ortsteils Köttlitz, oberhalb des Knies der Elbe, die hier die Grenze zwischen Brandenburg und Sachsen markiert, ist am Mittwoch eine weitere Sicherheitslücke im Deichschutz geschlossen worden. Umweltminister Jörg Vogelsänger (SPD) übergab dort im Beisein der Mühlberger Bürgermeisterin Hannelore Brendel (parteilos) einen sanierten Teilabschnitt des Elbedeiches sowie ein sogenanntes Überlaufwerk. Über diesen gepflasterten Deichabschnitt sollten die Fluten bei Hochwasser auf eine weite Polderfläche strömen. »Damit ist ein wichtiges Etappenziel bei der Sanierung der Elbdeiche im Süden Brandenburgs erreicht«, erklärte der Minister. »Dank des neu geschaffenen Retentionsraums erhält die Elbe im Hochwasserfall mehr Raum, was eine Entlastung für die Ortschaften und Deiche flussabwärts schafft.«

Die Kleinstadt Mühlberg/Elbe (Elbe-Elster) im Süden Brandenburgs war im Hochwassergeschehen der vergangenen Jahre einer der neuralgischen Punkte. Vom »Wunder von Mühlberg« war die Rede, als die Stadt 2002 wider Erwarten von der Jahrhundertflut verschont wurde. War doch am 17. August jenes Jahres die Elbe zum reißenden Strom geworden, hatte der Pegel die Marke von 9,98 Meter überschritten und die Krone der längst aufgeweichten Deiche erreicht. Die zur Deichverteidigung eingesetzte Bundeswehr hatte ihre Kräfte aus der Uferzone und der längst evakuierten Stadt an jenem Tag abgezogen. Doch der Krisenstab, zu dem auch der damalige Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) gestoßen war, hatte die Nerven bewahrt, tags darauf war das Wasser zurückgegangen. Ein Wunder.

Man hatte sich damals Zeit gelassen, der Ausbesserung der gröbsten Schäden folgte die fällige Grundsanierung und die Suche nach neuen Wegen nur schleppend. So war es dann fast doch noch zur Katastrophe gekommen, als sich das Flutszenario im August 2013 nahezu wiederholte. Wieder hatte es Spitz auf Knopf gestanden. Doch das Wasser war vielleicht neun bis zehn Zentimeter unter dem Niveau von 2002 geblieben, so dass die mit Sandsäcken immer wieder verstärkten Dämme auch diesmal hielten. Ganz anders, als etwa in der Nachbarschaft, in weiten Teilen von Sachsen.

Bis heute kann man es kaum fassen, welcher Gefahr nicht nur Mühlberg und sein unmittelbares Umland zwei Mal hintereinander entgangen sind. Denn nur in einigen Bereichen, wie etwa am Mühlberger Hafen, waren die Deichwerke saniert, verstärkt und erhöht worden, um einem Flutpegel von bis zu elf Metern standhalten zu können. Sollten die Deiche bei Mühlberg brechen, so hatte Bürgermeisterin Brendel 2013 gemahnt, dann würde das Wasser der Elbe den halben Landkreis Elbe-Elster und darüber hinaus Teile von Sachsen überschwemmen. Die maroden Deiche sollten schnellstens auf Vordermann gebracht werden, 2017 hatte ursprünglich alles fertig sein sollen. Es hat länger gedauert als versprochen.

Bei Köttlitz ist der Deich jetzt auf einer Länge von 800 Metern erneuert worden - mit einem Deichverteidigungsweg darauf sowie der 75 Meter langen Überlaufstrecke zum Flutpolder mit Sielbauwerk im »Alten Hauptdeich«. Vier Monate hatte das mit den Arbeiten beauftragte heimische Bauunternehmen dafür gebraucht. Die vorbereitenden Arbeiten hatten vor einem Jahr begonnen. Wie das Umweltministerium betont, seien dabei auch archäologische Untersuchungen zum Sichern von Bodendenkmälern vorgenommen worden.

Im Hochwasserfall ermögliche das Überlaufwerk ein kontrolliertes Überströmen des alten Hauptdeiches, was zu einer Kappung der Hochwasserwelle führe, heißt es in einer Erklärung. Der Polder, Felder und Wiesen mit einer Fläche von 181 Hektar, fasse dann maximal 4,6 Millionen Kubikmeter Elbwasser. Unter anderem 90 000 Tonnen Stützkörper, 14 000 Tonnen Dichtmaterial und 8000 Tonnen Filtermaterial wurden allein auf diesem Deichabschnitt verbaut. Rund 2,7 Millionen Euro hat das Land sich das kosten lassen.

Die Ertüchtigung der Deiche entlang der Elbe, ein Schwerpunkt im Hochwasserschutz des Landes, soll nun bis 2020 abgeschlossen werden. Wie das Umweltministerium mitteilte, wurden im Süden Brandenburgs bislang 6,3 Kilometer des Elbehauptdeichs erneuert. Damit seien mehr als 30 Prozent der Deiche im Südabschnitt der Elbe saniert. Den Angaben zufolge wurden hier seit 2010 in die Deichsanierung mehr als 20 Millionen Euro investiert. Weitere 3,2 Kilometer sollen bis 2020 saniert werden.

Hochwasserschutz ist im Land Brandenburg Chefsache. Ein Grund dafür leitet sich aus der Daseinsfürsorgepflicht ab: Viele Brandenburger leben entlang der Flüsse auf tiefliegendem Land. So sind an der Oder und ihren Nebenflüssen 34 400 Menschen und 87 000 Hektar Landesflächen vom Hochwassergeschehen betroffen, an der Elbe 26 000 Brandenburger und 26 300 Hektar.

In den Jahren nach der verheerenden Oderflut von 1997, die Schäden in Höhe von 300 Millionen Euro hinterließ, wurde die Anstrengungen vervielfacht. Nach Angaben des Umweltministeriums flossen zwischen 1997 und 2015 rund 593 Millionen Euro in den Hochwasserschutz, davon mehr als 450 Millionen Euro in die Deichsanierung. Schwerpunkt war die Oder mit 277 Millionen Euro, gefolgt von der Elbe im Süden sowie im Norden Brandenburgs mit rund 135 Millionen Euro. Auch in den Hochwasserschutz entlang der kleineren Flüsse seien mehr als 40 Millionen Euro investiert worden.

Im Zeitraum 2016 bis 2021 stehen in Brandenburg 424 Millionen Euro aus EU-, Bundes- und Landesmitteln für wasserwirtschaftliche Projekte vor allem beim Hochwasserschutz bereit. Mit acht Projekten im Volumen von 800 Millionen Euro nimmt das Land am Nationalen Hochwasserschutzprogramm teil. Es sieht vor, in den nächsten 25 Jahren vor allem neue Polder entlang der Flüsse anzulegen.

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