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Solariumsgebräunter Weißkopf

Freitags Wochentipp: Thomas Roth tritt von der »Tagesthemen«-Bühne ab

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.

Oh Gott, jetzt ist es amtlich, was der Boulevard schon raunte, als Angelina Jolie und Brad Pitt noch taufrisch liiert waren: Brangelina sind Geschichte. Für Celebritymedien von »taff« über »Instyle« bis hin zum ARZDF-Frühstücksfernsehen ist das ein Verlust wie einst der Bestand eines Stapels Kriegsanleihen der unterlegenen Kriegsnation. In zwölf Jahren hat die Yellowpress schließlich ein gutes Drittel ihrer, hüstel, Arbeitskraft aufs glamouröseste aller Glamourpaare verwandt und jetzt - Aus? Einfach so? Ohne redaktionelle Konsultationen oder zumindest die Bitte um Stellungnahme von Pro7? Nun ja, ein paar Monate lang wird der insinuierte Rosenkrieg schon noch dauern, bevor das Genre bei der Suche nach einer vergleichbaren Mischung aus Sex’n’Politics die nächste Sau über den Boulevard jagt.

Wer wären dafür geeignete Kandidaten? Heidi Klum könnte Guido Maria Kretschmer umdrehen, Donald Trump seine Familie für Miley Cyrus verlassen. Oder wie wär’s mit einer Kreuzbeziehung aus Geissens und Windsors? Das böte sogar Stoff für eine zünftige Fiktionalisierung auf dem Serienmarkt, der die öde Dominanz von »Game of Thrones« beim Emmy-Award durchbrechen könnte. Zwölf der Preise hat das Fantasy-Epos grad in L.A. geholt, insgesamt also 38. Da muss man fast dankbar sein, dass mittlerweile nicht auch welche für die schauspielerische Leistung darunter sind, um die es im Aufmarsch der Spezialeffekte ja nun wirklich nie geht.

Interessant bei der Verleihung vor einer Woche war aber vor allem, dass lineares Fernsehen kaum vorkam. Abgeräumt haben Pay-TV und Streamingdienste von HBO bis Netflix, was dem Leitmedium ein niederschmetterndes Zeugnis ausstellt, verdichtet im tollen Nachruf der »Süddeutschen Zeitung«, mit »Zimmer frei!« sei ein »Relikt des guten alten Fernsehens« verschwunden, »das noch Quatsch mit Tiefgang kombinierte und nicht Belanglosigkeit mit Zynismus«. Gute Nacht.

Durch die gut zu kommen uns ein anderes Relikt des guten alten Fernsehens am Ende jeder Sendung künftig nicht mehr wünschen wird: Am kommenden Sonntag moderiert Thomas Roth letztmals die »Tagesthemen«, und man ist aller Etikette zum Trotz geneigt zu sagen: endlich. Denn mit seiner solariumsgebräunten Weißköpfigkeit kennzeichnet Roth einen Typus uralten Nachrichtenfernsehens, der schon beim Amtsantritt vor drei Jahren antiquiert war.

Stets versuchte Roth sich staatstragend zu geben, wirkte dabei aber immer stocksteif. Thomas Roth in den »Tagesthemen«, das war ein schnauzbärtiges Konstrukt aus plastinierter Seriosität und atmosphärischer Ödnis, das alles Mögliche bewirkte, aber nie das, was er am Ende seiner Moderation uns Zuschauern wünschte: gut durch die Nacht zu kommen. Da wird auch dem letzten ARD-Gremlin klar, was Außenstehende schon wussten, als Thomas Roth noch Studioleiter in New York war: Ingo Zamperoni hätte niemals in die Warteschleife geschickt werden dürfen. Umso mehr freuen wir uns auf den Nachfolger. Absolut. Und im Vergleich mit seinem Vorgänger sowieso.

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