nd-aktuell.de / 26.09.2016 / Kultur

Hohn und Spott boomen auf der Mattscheibe

Studie: Satire im deutschen Fernsehen hat aufklärerische Funktion / »heute show« schlägt ZDF-Nachrichten in der Zuschauergunst

Berlin. Satire im deutschen Fernsehen boomt. Das ist das Ergebnis der Studie »Quatsch oder Aufklärung?[1]« im Auftrag der Otto Brenner Stiftung, die der Medienwissenschaftler Bernd Gäbler von der FHM Bielefeld verfasst hat. In der Zuschauergunst habe die »heute show« im ZDF längst das »heute journal« im gleichen Sender überholt. Der Grund, so der Autor, habe mit der sich »generell verändernden Mediennutzung« zu tun. »Die großen gemeinschaftsstiftenden Medienprodukte verlieren Rezipienten, die einzelne Nachricht, die Schlagzeile, die auf individuelle Interessen zugeschnittenen News gewinnen tendenziell an Bedeutung.« Nachricht und Verstehen klafften oftmals auseinander. »Die klassische politische Berichterstattung ist vielen zu zäh.« Außer der »heute show« hat Gäbler auch die Satiresendungen »Die Anstalt« (ebenfalls ZDF) und »extra 3« (ARD) unter die Lupe genommen.

Neben vielen Witzen zeichne »antiautoritäres Lachen« und Respektlosigkeit die Satire-Sendungen aus. Quatsch habe dann eine aufklärerische Funktion, wenn er aufzeigt, wie verrückt die politische Wirklichkeit ist. Spott und Ironie richten sich dabei vor allem gegen Politiker. So habe sich die »heute show« 51 Mal im ersten Halbjahr 2016 über Angela Merkel lustig gemacht. Sigmar Gabriel wurde 25 Mal Zielscheibe von Oliver Welke und Kollegen, und CSU-Chef Horst Seehofer musste 23 Mal ihren Spott aushalten.

Gäbler bezeichnet in der Untersuchung die Entwicklung des ZDF als die »größte institutionelle Sensation«. »Galten früher Kabarett und Satire dort als Teufelswerk, das der Verdammnis anheimfiel, ist der Mainzer Sender – auch durch einen Generationenwechsel an der Spitze – inzwischen geradezu zum Inkubator für diese Form der kritischen Auseinandersetzung mit der Gegenwart geworden«, so sein Urteil. Anders dagegen die ARD. »Sehr spät« habe sie auf die Kritik reagiert, das Programm sei mit Talkshows überlastet. Schließlich habe der Sender deren Anzahl verringert und den Donnerstagabend für andere Formate geöffnet. Auf diesem Programmplatz tummele sich seitdem allerlei, was irgendwie witzig sein soll. »Ein Profil hat der Sendeplatz nicht«, schreibt Gäbler. Auch »extra 3« ist an diesem Tag in der ARD unregelmäßig zu sehen. »Zu einer Marke für das Erste Programm kann diese Sendung auf diese Weise nicht werden.«

Allerdings werde Satire den Journalismus nicht ersetzen, da ist sich Gäbler sicher. Und sie sei »erst recht nicht« der bessere Journalismus. Satire basiere auf ihm und brauche ihn anschließend wieder. Journalismus soll sich ihr nicht anpassen, »aber herausgefordert darf er sich schon fühlen«. nd

Links:

  1. https://www.otto-brenner-stiftung.de/uploads/tx_mpnews/2016_09_26_PM_AH88.pdf