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Lauter ist das neue Leiser

Hessens Regierung stellt Plan für eine Lärmobergrenze am Fraport vor - mit reichlich Spielraum für noch mehr Krach

  • Lesedauer: 4 Min.

Wiesbaden. Hessens schwarz-grüne Landesregierung will erklärtermaßen den Lärm am Flughafen Frankfurt am Main begrenzen. Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) stellte am Dienstag in Wiesbaden das Konzept einer Lärmobergrenze für den größten deutschen Flughafen vor. Dabei wird das durchschnittliche Lärmniveau auf einen Wert gedeckelt, der den heutigen »nicht wesentlich« überschreitet. Für den Fall, dass die neue Grenze zwei Jahre hintereinander nicht eingehalten wird, droht das Ministerium, die Zahl der Flugbewegungen einzufrieren. Der Flughafen-Betreiber Fraport lehnte das Konzept umgehend ab.

»Wir wollen eine Lärmobergrenze einziehen, die das Rhein-Main-Gebiet vor einem unbegrenzten Anstieg der Belastung durch Fluglärm schützt«, erklärte Al-Wazir. Dem Flughafenbetreiber Fraport sowie weiteren Vertretern der Luftverkehrswirtschaft bot er Verhandlungen an. Sollte es zu keiner Einigung kommen, werde die Betriebsgenehmigung entsprechend geändert, heißt es in dem Konzept.

Fraport soll zudem verpflichtet werden, regelmäßig einen Plan zur Lärmminimierung vorzulegen. Das Ministerium hofft, dass die Obergrenze Investitionen in leisere Flugzeuge sowie entsprechende Technik und Flugrouten befördert. Fraport hatte zuvor erklärt, keine Abstriche an seiner Kapazität zu akzeptieren.

Für die Anwohner des Flughafens bedeutet das Konzept, dass es - bis die Obergrenze erreicht ist - zunächst lauter werden darf als derzeit. Das Ministerium betont, dass aber der bisher rechtlich mögliche Anstieg des Lärmniveaus begrenzt werde. So dürfte die Fläche der am meisten betroffenen Gebiete rund um den Flughafen mit Lärmobergrenze noch um 1178 Hektar steigen, bisher sei eine Zunahme von 5121 Hektar möglich.

300 000 Menschen seien derzeit in der Region von Fluglärm betroffen, heißt es in dem Konzept. Auch eine Studie über gesundheitsgefährdende Auswirkungen wird angeführt. Dennoch lasse der Vorschlag dem Flughafen Raum zur Weiterentwicklung.

Auf eine Lärmobergrenze hatten sich die Regierungsparteien CDU und Grüne in ihrem Koalitionsvertrag geeinigt. Ursprünglich sollte das Konzept bereits im Sommer vorgelegt werden. Eine Empfehlung für ein solches Höchstmaß an Lärm hatte es vor 16 Jahren im Mediationsverfahren zum Ausbau des Flughafens gegeben.

Der Flughafen-Betreiber Fraport bezeichnete die von der Landesregierung vorgestellte Lärmobergrenze als nicht akzeptabel. Der Flughafen dürfe im internationalen Wettbewerb nicht weiter benachteiligt werden, erklärte Fraport-Chef Stefan Schulte. In Frankfurt gelte bereits ein sechsstündiges Nachtflugverbot. Weitere Einschränkungen würden die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts gefährden. Schulte berief sich auf den Ende 2007 erlassenen Planfeststellungsbeschluss für den Flughafenausbau, der bis zum höchsten Bundesgericht juristisch bestätigt sei und aufgrund dessen Fraport mehrere Milliarden Euro in den Standort investiere. Auch würden hohe Millionenbeträge für den passiven Schallschutz und Entschädigungen ausgegeben. Zugleich biete der Beschluss keine Grundlage für eine Lärmobergrenze. Fraport sei aber bereit, weitere Ansätze für leiseres Fliegen zu realisieren und an kooperativen Lösungen mitzuarbeiten.

Für einen leiseren Anflug auf den Frankfurter Flughafen ist seit Montag testweise eine neue Software für Piloten im Einsatz. Das Assistenzsystem soll es ermöglichen, dass die Flugzeuge möglichst im Leerlauf ohne zusätzliches Beschleunigen und Bremsen landen, erklärte Professor Stefan Levedag vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die Software wurde zuvor im Simulator erfolgreich getestet, nun ist sie für drei Tage erstmals auf einem Verkehrsflughafen im Einsatz. Zu erwarten sei »ein deutlich hörbarer Unterschied«, sagte Levedag. Bis zur Markteinführung könne es allerdings noch ein bis zwei Jahre dauern.

In einem Forschungs-Airbus A320 sind über Frankfurt auch Verkehrspiloten dabei, um das vom DLR entwickelte System zu testen. Die Landung sei die arbeitsintensivste Phase des Fluges, je nach Wind und Verkehrsaufkommen bekämen die Piloten ständig neue Anweisungen, sagte Levedag. Das Assistenzsystem soll die Kapitäne über ein Display im Cockpit unterstützen, Bremsklappen und Fahrwerk zu einem Zeitpunkt ausfahren, zu dem dadurch möglichst wenig Lärm entsteht. Auch Treibstoff könne auf diese Weise eingespart werden. Die Testergebnisse sollen im November vorgestellt werden. dpa/nd

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