Skandal um Englands Nationaltrainer

Sam Allardyce redet sich bei einem fingierten Investorentreffen um Kopf und Kragen und rechnet selbst schon mit dem Rauswurf

  • Alexander Sarter, London
  • Lesedauer: 3 Min.

Nur 68 Tage nach seiner Berufung zum englischen Fußball-Teammanager hat sich Sam Allardyce durch ein fingiertes Interview mit verdeckten Reportern wohl selbst schon wieder um seinen Job gebracht. Laut Boulevardzeitung »The Sun« hat der 61-Jährige bereits gegenüber Freunden erklärt, dass er wegen des belastenden Enthüllungsvideos mit seinem Rauswurf durch den englischen Fußballverband FA rechnet.

Allardyce ist anscheinend heimlich dabei gefilmt worden sein, wie er Tipps zum Umgehen der Transferregeln gibt. Außerdem hat sich der Trainer wohl über seinen Vorgänger Roy Hodgson lustig gemacht, Nationalspieler verunglimpft, die FA als »dumm« bezeichnet und deren Präsidenten Prinz William kritisiert.

Der Verband hat das Video, das Journalisten des »Daily Telegraph« aufgenommen haben, laut BBC bereits eingesehen und Ermittlungen aufgenommen. »Ich will alle Fakten. Ich will alles von allen hören - und erst dann entscheiden, was zu tun ist«, sagte der FA-Vorsitzende Greg Clarke vor einer Krisensitzung am Dienstag: »Um eine gerechte Entscheidung zu fällen, müssen wir der ganzen Sache auf den Grund gehen. Eine Vorverurteilung ist nicht angebracht. Bei solchen Vorwürfen muss man erst mal tief durchatmen.«

In den sozialen Netzwerken muss Allardyce bereits Hohn und Spott ertragen. Und die englischen Buchmacher nehmen schon Wetten auf mögliche Nachfolger an. Zu den Kandidaten gehört laut Medienberichten erneut Jürgen Klinsmann. Der US-Nationaltrainer war bereits im Sommer vor Allardyces Berufung gehandelt worden.

Konkret geht es bei den Vorwürfen gegen Englands Nationaltrainer darum, dass er im August bei einem Gespräch mit angeblichen Investoren aus dem Fernen Osten in London erklärt haben soll, wie FA-Regularien bezüglich der Verträge von Dritteigentümern bei Spielertransfers zu umgehen sind. Die seien kein Problem, soll Allardyce wörtlich gesagt haben. Bei den Investoren handelte es sich in Wirklichkeit jedoch um verdeckte Reporter des »Telegraph«.

In dem Video macht sich Allardyce zudem offenbar auch über einen Sprachfehler Hodgsons lustig. Auf die FA ging er los, weil der Verband eine Milliarde Euro in die Renovierung des Wembley-Stadions investiert habe. Prinz William wird von Allardyce wohl angegriffen, weil der Thronfolger nicht zur Präsentation des Logos für die EM 2020 gekommen war.

Zu allem Überfluss hat der Trainer offenbar auch noch einen Beratervertrag mit den Scheininvestoren abgeschlossen, der ihm 461 000 Euro einbringen sollte. Dabei kassiert er bereits 3,5 Millionen Euro im Jahr von der FA für den Job des Nationaltrainers. Für andere Tätigkeiten bräuchte er ohnehin das Einverständnis des Verbands. Offiziell hat sich Allardyce, der im Sommer einen Zweijahresvertrag beim Verband unterschrieben hatte, noch nicht zu den Vorwürfen geäußert.

Am kommenden Sonntag wollte er sein Aufgebot für die nächsten beiden WM-Qualifikationsspiele bekanntgeben. Am 8. Oktober trifft England in besagtem Wembley-Stadion auf Malta, am 11. Oktober ist Slowenien in Ljubljana Gegner der »Three Lions«. Im ersten Qualifikationsspiel hatten sich die Engländer, die im Achtelfinale der EM an Island gescheitert waren, mit 1:0 gegen die Slowakei durchgesetzt. SID/nd

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