nd-aktuell.de / 28.09.2016 / Berlin / Seite 9

Saleh fordert Kurswechsel der SPD

SPD-Fraktionschef Raed Saleh hat seiner Partei eine Existenzkrise bescheinigt - und dafür indirekt auch Regierungschef Michael Müller (SPD) mitverantwortlich gemacht. Die SPD sei in den Jahren der Regierungsverantwortung von einer Volks- zu einer Staatspartei geworden, kritisierte er in einem Gastbeitrag für den »Tagesspiegel«. »Klaus Wowereit hat es mit seiner menschlichen Art lange geschafft, diese Kluft zu überbrücken, im letzten Jahr ist uns das nicht gut genug gelungen.« Müllers Namen nennt Saleh zwar nicht, doch der 51-Jährige ist Nachfolger von Wowereit und seit April auch Landesvorsitzender der Berliner SPD.

Die Sozialdemokraten hatten die Abgeordnetenhauswahl vor anderthalb Wochen mit historisch schlechten 21,6 Prozent gewonnen. Dieses Ergebnis stelle infrage, was die Partei sei und sein sollte. Auch der rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Sven Kohlmeier, hatte am Anschluss an die Wahl als erster einen inhaltlichen Neustart der Partei gefordert. »Wir sollten nicht ignorieren, dass ehemalige SPD-WählerInnen uns nicht mehr vertrauen und trotzdem keine Protest-Partei wählen wollen«, schreibt er auf seiner Homepage. Er wertete das Wahlergebnis als »eine der bittersten Niederlagen« der SPD.

Saleh forderte, die SPD dürfe nie Teil des Staatsapparats und ihr Programm kein Nebenprodukt von Regierungslogik sein. »Wenn wir auch nur annähernd in den Ruch kommen, mit finanzstarken Eliten zu klüngeln, trifft das eine linke Volkspartei ins Mark«, schrieb der 39-Jährige. Die Berliner Politik befasse sich zu häufig mit den hippen Innenstadtbezirken und zu wenig mit der Lebenswirklichkeit der Berlinerinnen und Berliner, kritisierte der Fraktionschef, der selbst in Spandau lebt. Er warb, die Partei müsse die Stadt »nicht mehr aus der Perspektive der Rathäuser, sondern wieder mit den Augen der Bürgerinnen und Bürger sehen«. Auch bundesweit müsse sich die SPD in Inhalten, Stil und Selbstverständnis radikal erneuern, sonst werde sie in Deutschland mittelfristig nicht mehr gebraucht. dpa/nd