Wo Golf wie Fußball ist

Beim Kontinentalvergleich Ryder Cup ticken Fans und Spieler aus

Task Force, Heimvorteil, 150 000 frenetische Fans. Die Verantwortlichen im US-amerikanischen Golfsport hatten alles durchgeplant, um den wichtigsten Mannschaftspokal nach acht Jahren Pause endlich wieder nach Hause zu holen. Doch dann starb Arnold Palmer. Am Sonntag, nur fünf Tage vor dem Start des 41. Ryder Cups an diesem Freitag, verzögerte die Nachricht vom Tod der vermutlich größten Golflegende den geplanten Großangriff der Amerikaner auf Europa. Statt markiger Sprüche wurden nun erst mal Schweigeminuten eingelegt.

Mit Palmers Tod genau zu diesem Zeitpunkt schloss sich aber auch ein Kreis, denn der Ryder Cup kommt dem am nächsten, wofür der 87-Jährige immer stand: Golf als Massensport. In den 50er Jahren hatte Palmers Aufstieg zum ersten Golfstar von Weltformat begonnen, und von Anfang an, war er der Liebling des kleinen Mannes. Aufgewachsen als Sohn eines Golfplatzwarts auf dem Land in Pennsylvania, gewann er 1954 den damals hoch angesehenen US-Amateurtitel gegen einen gewissen Robert Sweeny. Jener drahtige Mann wird noch heute als Abziehbild der elitären Country-Club-Welt beschrieben, zu denen Normalbürgern der Zutritt verwehrt wurde. Palmer hingegen war im ursprünglichen Wortsinn populär: ein Mann des Volkes. Stämmig, kantig, angriffslustig. Verbunden mit dem Aufstieg des Fernsehens zog Arnold Palmer die Massen an die Geräte und auf die Golfplätze. Seine oft auf die Etikette pfeifenden, laut grölenden Fans wurden zu »Arnies Army« und ließen die Gegner zittern, wenn sie im direkten Duell gegen Palmer antreten mussten.

Heute halten sich Golffans wieder zurück. Sie bleiben brav hinter Absperrleinen stehen, stören niemanden und klatschen leise Beifall, wenn der Ball ins Loch fällt. Nur der Ryder Cup ist anders. Hier wird gegrölt, gejubelt, geweint. Hier gibt es Platzstürme und Fangesänge. Hier wird Golf zu Fußball. Jeweils 50 000 Fans werden den drei Tagen des Wettstreits zwischen den jeweils besten zwölf Spielern der USA und Europas auf dem Hazeltine Golf Course in Minnesota erwartet. An den ersten beiden Tagen werden immer nur vier Duelle gleichzeitig ausgetragen, und so verfolgen mehr als 10 000 Fans jedes Spiel.

Dass sich dieser Wettbewerb einer solchen Beliebtheit erfreut, hat weniger mit Arnold Palmer zu tun. Als der »King« an der Spitze thronte, waren die US-Amerikaner so dominant, dass sich kaum jemand für den Vergleich zwischen Amerikanern und Briten interessierte. Erst als Ende der 70er Jahre die besten Spieler aus ganz Europa gegen ihre US-Kollegen antraten wurde daraus ein spannendes Duell, das die Massen anlockte. In den USA war der Nationalstolz nach mehreren Niederlagen verletzt, und je häufiger die Amerikaner verloren, desto mehr versuchten ihre Fans die Gegner mit Zwischenrufen und Gesängen aus dem Konzept zu bringen.

Der Fanatismus ist längst beidseitig. Jeder Lochgewinn wird frenetisch bejubelt, und die Spieler lassen sich anstecken. Der Deutsche Martin Kaymer, der selbst nach seinen besten Schlägen allenfalls mal die Hand hebt, um sich bei applaudierenden Zuschauern zu bedanken, packt im Ryder Cup schon mal die Beckersäge aus. Und seinem englischen Kollegen Ian Poulter springen nach versenkten Putts die Augen fast aus dem Gesicht. Dabei geht es nicht mal um Geld. Hier spielen Millionäre um die Ehre. »Das ist der Ryder Cup, der Druck ist nirgendwo größer, das Adrenalin nirgendwo höher«, erklärte Poulter mal seine regelmäßigen Ausbrüche.

Pete Willett schrieb kürzlich einen Artikel für das englische Magazin »nationalclubgolfer.com« und bezeichnete darin die US-Anhänger als »moppelige, ungewaschene Idioten, gefüllt mit Keksen und Pissbier, die nur mal eine Pause zwischen zwei Hot Dogs einlegen, um ›Baba booey‹ zu grölen«. Auch die Spieler bekamen ihr Fett weg: »fette, dumme, gierige Bastarde«. Ein herrlich satirischer Text, vollgestopft mit schwarzem englischen Humor. Leider ist Pete Willett jedoch Bruder von Danny Willett, einem der europäischen Stars im Team. Die Feindschaft zwischen den Lagern ist schon so groß, dass seine Worte als ernsthaft geäußerte Meinung gedeutet wurden und sich Danny Willett am Mittwoch offiziell entschuldigte.

Dreimal hat der alte Kontinent zuletzt gesiegt. Das sollte den US-Stars nicht noch einmal passieren. Also installierte der US-Golfverband eine elfköpfige Task Force. Alles wurde hinterfragt und analysiert. Jetzt dürfen die Spieler bei den Entscheidungen des Kapitäns mitreden, so wie es bei den Europäern längst üblich ist.

Ohnehin traten die Engländer, Iren, Italiener, Spanier, Deutsche, Franzosen und Schweden stets eher wie eine Einheit auf, als die Texaner, Georgianer und Louisianer. Verbunden mit acht Siegen in den vergangenen zehn Austragungen wurden sie gar zum Stolz von Europas Golffans. Heute werden nirgendwo sonst aus vollem Herzen so viele EU-Flaggen geschwenkt wie beim Ryder Cup - und das sogar von Engländern!

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