nd-aktuell.de / 04.10.2016 / Politik / Seite 14

Das große Abwarten

Thüringen: Nach Ende des Schutzes für DDR-Datschen gab es zunächst kaum Kündigungen

Andreas Göbel, Erfurt

In Thüringen ist die befürchtete Kündigungswelle für zu DDR-Zeiten gepachtete Datschengrundstücke nach Einschätzung des Verbands Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN) bislang ausgeblieben. Der Wegfall des Kündigungsschutzes im vergangenen Jahr habe jedoch zu Verunsicherung geführt, sagte VDGN-Sprecher Holger Becker in einer dpa-Umfrage. Abgabewillige Pächter fänden deswegen trotz teilweise großer Nachfrage nach Grundstücken im Grünen nur schwer Nachfolger, potenzielle Interessenten hielten sich zurück.

Der Kündigungsschutz für Pächter von DDR-Datschengrundstücken war vor einem Jahr ausgelaufen. Damit können die Eigentümer des Grund und Bodens, auf denen Pächter Wochenendhäuschen errichtet haben, die alten Verträge ohne Angabe besonderer Gründe kündigen.

Im Extremfall - etwa bei einer Kündigung durch den Nutzer oder nach dem 3. Oktober 2022 - können einem neuen Pächter sogar eventuell anfallende Abrisskosten auferlegt werden. Dieses Risiko wollen laut VDGN nur die wenigsten Interessenten eingehen. Über die Zahl der betroffenen Grundstücke in Thüringen konnte der Verband keine Angaben machen.

Um auf Nummer sicher zu gehen, sollte ein Pächter im Idealfall das gesamte Grundstück erwerben, empfiehlt Becker. Alternativ sei bei einem Pächterwechsel ein dreiseitiger Vertrag möglich, in dem sich der Eigentümer, der aktuelle und der zukünftige Pächter einigten. Wer einen ganz neuen Mietvertrag für ein Grundstück abschließt, sollte unbedingt darauf achten, dass die Pacht nicht zu hoch und die Laufzeit der Verträge möglichst lang sei, so Becker.

Nachfrage nach Datschen besteht Becker zufolge in Thüringen durchaus, vor allem im Umkreis größerer Städte wie Erfurt und Jena. Anders als für Kleingärten in Gartenvereinen gelten für solche Grundstücke keine Auflagen, etwa die, auf einem bestimmten Anteil der Fläche mit Obst oder Gemüse anzubauen.

Dennoch: Vor allem in den Städten entlang der Autobahn 4 erfreuen sich auch die in Kolonien organisierten Kleingärten großer Beliebtheit. »In Jena und Umgebung ist die Nachfrage sehr hoch«, sagte der Vorsitzende des Kleingärtner-Regionalverbands Jena/Saale-Holzlandkreis, Bernd Rudolph. Vor allem junge Familien entschieden sich immer öfter für einen eigenen Kleingarten. Auch der Stadtverband Erfurt freut sich über reges Interesse: Von den 8585 Gärten und 120 Vereinen im Verband stünden im Schnitt immer etwa 70 frei, sagte Vorstandsmitglied Helga Möller. »Spätestens innerhalb eines Jahres sind die Gärten wieder belegt. Mit nur einem Prozent Leerstand stehen wir ziemlich gut da.«

Neu sei die verstärkte Nachfrage durch Kleingärtner mit osteuropäischen Wurzeln - ein Trend, der in ganz Thüringen zu beobachten ist. »Diese Gärten sind meist Anschauungsobjekte für Fleiß und Ordnung, wir haben da ausschließlich gute Erfahren gemacht«, sagte Möller.

In ländlichen Regionen und abseits der Städte kämpfen Kleingartenvereine jedoch oft ums Überleben. Vor allem in Ostthüringen und in dörflichen Regionen gebe es Anlagen mit einem extrem hohen Leerstand, sagte der Präsident des Landesverbands Thüringen der Gartenfreunde, Rainer Merkel. In einigen Regionen mussten Vereine wegen des Mitgliedermangels ganz aufgeben. dpa/nd