nd-aktuell.de / 07.10.2016 / Sport / Seite 19

Diplomaten in Trikot und kurzer Hose

Erstmals seit 69 Jahren treten wieder US-Fußballer zu einem Freundschaftsspiel in Kuba an

Jirka Grahl

Den Diplomaten und Investoren folgen die Fußballer: Nachdem jüngst ein US-Botschafter in Kubas Hauptstadt seinen Dienst begonnen hat, nachdem auf Havannas Flughafen wieder Linienflüge aus den USA landen, nachdem eben jener Flughafen von einem französischen Unternehmen übernommen worden ist, geben sich an diesem Freitag die Fußballprofis aus den USA die Ehre in Kuba - beim ersten freiwilligen Aufeinandertreffen der beiden Auswahlmannschaften seit 1947.

Im 28.000 Zuschauer fassenden Estadio Pedro Marrero lässt heute Trainer Jürgen Klinsmann seine Kicker aus den USA auflaufen - der 22. der FIFA-Weltrangliste ist zu Gast beim 139. dieser Auflistung. Auch für den deutschen Trainer Jürgen Klinsmann ist das Match in Havanna «ein historisches Erlebnis, wie er gegenüber Reportern sagt: »Es ist ein Supertrip, etwas Besonderes. Das geht weit über den Fußball hinaus.«

Das gilt auch für die Fußballer der Karibikinsel, die sich anschicken, dem Nationalsport Baseball den Rang abzulaufen. 1,2 Millionen Menschen spielen im organisierten Fußball Kubas mit. Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung von 11 Millionen Menschen rangieren Kubas Kicker im internationalen Vergleich ganz weit vorn. Die Website »Havana Times« fragte bereits 2012 voller Sorge, ob denn Fußball den Kubanern künftig den Baseball ersetze, jenen Sport, den Fidel Castro so liebt. Der Máximo Líder war in seiner Jugend »Pitcher«.

Nach der Revolution 1959 waren in Kuba die Profiligen im Fuß- und Baseball abgeschafft worden. Das Hauptaugenmerk wurde nach sowjetischem Vorbild auf die olympiamedaillenträchtige Sportarten wie Boxen, Judo oder Leichtathletik gelegt. Baseball spielte immerhin noch eine Sonderrolle, der Fußball indes rückte erst wieder etwas ins Rampenlicht, als bei den Boykottspielen von Moskau 1980 gegen Sambia und Venezuela gewonnen wurde.

1998 setzte der Siegeszug des Fußballs im Lande ein, als erstmals eine Fußball-WM live übertragen wurde - auch wenn die Jamaikaner den Kubanern bei »France ’98« ein Alleinstellungsmerkmal wegnahmen, als sie 2:1 gegen Japan gewannen: Zuvor waren die Kubaner mit einem 2:1 aus dem Jahr 1938 jahrzehntelang die einzige Auswahl aus der Karibik, die je ein Spiel bei einer WM-Endrunde hatte gewinnen können.

Jene Teilnahme an der WM 1938 in Frankreich ist bislang die einzige, die Kuba je gelang und auch sie hing mit einem Boykott zusammen: In jenem Jahr waren nur Brasilien und Kuba der Einladung der FIFA zum Turnier gefolgt, alle anderen amerikanischen Mannschaften blieben dem WM-Turnier fern, weil dessen Ausrichtung ihrer Meinung nach den Argentiniern zugestanden hätte.

Eine neuerliche Blütezeit erlebten Kubas Fußballer um die Jahrtausendwende. 1998 wurde erstmals der Gold Cup erreicht, die Meisterschaft von Nord-, Mittelamerika und Karibik. 2003 kam das Team dort ins Viertelfinale, wodurch Kuba zwischenzeitlich auf Rang 77 der Weltrangliste kletterte. Einige Nationalspieler jener Ära schafften es nach ihrer Flucht in den internationalen Profifußball.

Für Aufsehen sorgten jüngst die beiden ersten Fußballer, die mit Erlaubnis des Staates in eine Profiliga wechselten. Maykel Reyes und Abel Martinez, die beide bei der U23-WM geglänzt hatten, unterschrieben bei Azul Cruz (Mexiko).

Gegen die US-Kicker, der auch sechs Bundesligaprofis angehören, soll endlich der zweite Sieg gelingen. In Pflichtspielen waren die Mannschaften immer mal wieder aufeinandergetroffen, 2008 waren die US-Kicker zur WM-Qualifikation in Kuba. In erst zwölf Spielen gegen die USA gelang das Kuba nur einmal: 1947.