Sprachrohre der AfD

Einige große Blätter verbreiten seit Jahren rechtes Gedankengut. Protagonisten wechseln nun in die Politik

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Dass die »Bild«-Zeitung vom Presserat gerügt wird, kommt immer mal wieder vor. Konsequenzen werden aber eher selten gezogen. Anders verhielt es sich im Sommer 2014. Der Presserat warf dem stellvertretenden Chefredakteur der »Bild am Sonntag«, Nicolaus Fest, vor, mit einem Kommentar die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten zu haben und Muslime zu diskriminieren. Fests Text erinnerte an rassistische Leserkommentare, die in diversen Onlinemedien zu finden sind. Der Autor schrieb: »Ist Religion ein Integrationshindernis? Mein Eindruck: nicht immer. Aber beim Islam wohl ja. Das sollte man bei Asyl und Zuwanderung ausdrücklich berücksichtigen!«

Wenige Monate nach dem Verfassen dieser Zeilen verließ Fest das Boulevardblatt. Ein Zusammenhang zu seinem Kommentar soll angeblich nicht bestanden haben. Die Führungsriege von Springer hatte allerdings auch deutlich gemacht, dass Fest über das Ziel hinaus geschossen war. Nun darf der Mann seine als Kritik an religiös begründeten Herrschaftssystemen getarnte Ausländerfeindlichkeit bei der Berliner AfD verbreiten. Die Rechtspartei präsentierte am Donnerstag stolz ihr Neumitglied vor Journalisten. Bei dieser Gelegenheit forderte der Sohn des vor zehn Jahren verstorbenen Zeithistorikers Joachim Fest »Moscheenschließungen«, weil der Islam »eine totalitäre Bewegung« sei, die dem Nationalsozialismus und Kommunismus ähneln würde.

Nicolaus Fest ist nicht der erste rechtskonservative Publizist, der bei der AfD anheuert. Zu den Gründungsmitgliedern der Partei zählten im Februar 2013 auch die früheren CDU-Mitglieder Konrad Adam und Alexander Gauland. Adam, der in der AfD mittlerweile keine große Rolle mehr spielt, war zwischenzeitlich einer von drei Bundessprechern. Zuvor hatte er unter anderem für die »Welt« sowie für die »FAZ« gearbeitet. Gauland, einst Herausgeber der »Märkischen Allgemeinen«, ist Bundesvize sowie Chef der Brandenburger AfD. Ähnlich wie Fest haben auch Adam und Gauland bereits vor langer Zeit die »Multikulturalisten« und den Islam als ihre Feindbilder ausgemacht. Eine mindestens ebenso große Abscheu empfindet Adam gegenüber dem Sozialstaat. In einem Beitrag für die »Welt« stellte er vor einigen Jahren das Wahlrecht für »Inaktive und Versorgungsempfänger« in Frage.

Seit einigen Monaten steht außerdem der frühere Springer-Schreiber Günther Lachmann auf der Gehaltsliste der AfD. Er ist als PR-Stratege im Büro des thüringischen Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke untergekommen. In seiner Zeit als Journalist hatte Lachmann Beratungsangebote an Mitglieder der AfD-Spitze unterbreitet. Dies führte letztlich zu seiner Entlassung bei der »Welt«.

Diese prominenten Beispiele zeigen, dass Springerverlag, »FAZ« und einige andere Medien Mitarbeiter gefördert haben, welche rechtes Gedankengut verbreiten. Dass sie wie Fest wegen besonders radikaler Äußerungen einen schweren Stand in ihrer Redaktion haben, ist eher die Ausnahme. Die Journalisten, die nun bei der AfD ihr Geld verdienen, haben eine Reihe von ehemaligen Kollegen, die ihr Werk fortsetzen. Gastbeiträge von AfD-Funktionären wie Alexander Gauland sind in der »FAZ« kein Tabu. Vor wenigen Wochen durfte zudem der frühere Berliner SPD-Finanzsenator Thilo Sarrazin in dem Frankfurter Blatt seine Pläne für eine Entrechtung von Asylbewerbern ausbreiten. Demnach sollten Ansprüche von Flüchtlingen auf staatliche Leistungen und die Möglichkeit, hinsichtlich des Aufenthaltsstatus zu klagen, erst dann möglich sein, wenn der Betroffene einen legalen Aufenthaltsstatus erhält. Flüchtlinge, deren Aufenthaltsbegehren abgelehnt wurde, sollten sofort abgeschoben werden. Die Onlineausgabe der »Bild« verbreitete umgehend und kritiklos diese »radikalen Vorschläge eines umstrittenen Ex-Politikers«.

Die Entscheidung, solche Texte abzudrucken, lässt sich nicht nur auf die politischen Einstellungen von Redaktionsleitungen zurückführen. Auch ökonomische Erwägungen dürften eine Rolle spielen. In der Bundesrepublik gibt es nämlich eine wachsende Nachfrage nach Publikationen, welche rechtskonservativen und rechtsradikalen Autoren ein Forum bieten. Die Wochenpostille »Junge Freiheit« profitiert etwa von diesem Trend. Sie ist im Unterschied zu den meisten anderen Printprodukten kontinuierlich gewachsen. Die verkaufte Auflage des Blatts beträgt inzwischen 28 246 Exemplare. Viele Leser sind Sympathisanten der AfD. Ältere Zeitungen mit konservativer Ausrichtung, deren Auflagen geschrumpft sind, bemühen sich offensichtlich ebenfalls um diese potenzielle Kundschaft.

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