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SPD-Chef angeblich vier Meter groß

Ministerpräsident Dietmar Woidke mit 83,3 Prozent als Landesparteivorsitzender bestätigt

Als die »Brandenburgpartei« sieht sich die SPD sowieso, weil sie schon seit 1990 stärkste Kraft im Landtag ist und immer den Ministerpräsidenten gestellt hat. Aber die SPD will auch die »Zukunftspartei« sein, die weise vorausblickend alle Probleme erkennt und löst, die jetzt etwa eine Kreisgebietsreform macht, obwohl das kein »Publikumshit« ist, wie Ministerpräsident Dietmar Woidke weiß.

Eine solche Zukunftspartei ersetzt bei ihrem Landesparteitag am Sonnabend den althergebrachten Stimmzettel durch Tablets und so wählen die 128 Delegierten den SPD-Landesvorstand schnell und unkompliziert elektronisch. Ganz so fix spuckt der Computer das Ergebnis aber nicht aus, so dass sich Tagungsleiter Martin Ehlers einen »Lückenfüller« wünscht und fragt: »Weiß jemand einen Witz?« Doch bevor sich ein Spaßvogel melden könnte, flimmert nach einem Testlauf das erste echte Abstimmungsergebnis des Tages auf die Leinwand. 83,3 Prozent der Delegierten haben Dietmar Woidke als SPD-Landesvorsitzenden bestätigt. Er bedankt sich artig für das Vertrauen.

Immerhin bloß 79,8 Prozent hatte er vor zwei Jahre erhalten. Vor drei Jahren jedoch, als er kurzfristig den überraschend auf eigenen Wunsch ausgeschiedenen Matthias Platzeck ersetzte, da waren es 95,8 Prozent gewesen - so dass anfangs der Verdacht nahe lag, er werde an die Traumergebnisse des beliebten Matthias Platzeck dauerhaft anknüpften können. Die 83,3 Prozent hält Woidke dennoch für sehr ordentlich, zumal seine Stellvertreter Daniel Kurth und Katrin Lange nur 74,6 beziehungsweise 81,7 Prozent bekommen und Generalsekretärin Klara Geywitz mit lediglich 60,8 Prozent einen Schuss vor den Bug bekommt. Die Kampfabstimmung um den Posten des Schatzmeisters gewinnt Harald Sempf, Dezernent in der Stadt Falkensee, mit 69 zu 59 Stimmen gegen die Storkower Bürgermeisterin Cornelia Schulze-Ludwig.

CDU-Generalsekretär Steeven Bretz urteilte hernach, Woidkes Generalsekretärin sei abgestraft worden, seine Favoritin für den Posten des Schatzmeisters durchgefallen. »Die heile Welt der selbsterklärten Brandenburgpartei ist am Sonnabend gehörig ins Wanken geraten«, meint Bretz. »Der Widerspruch gegen die Kreisreform ist weit größer als es Parteichef Woidke wahrhaben will. Die SPD schwankt zwischen Machterhalt und Kritik an Woidkes Politik und liefert damit das Bild einer zerrissenen Partei« - die sich selbst genüge, statt den Bürgern zuzuhören.

Das klingt wie eine Retourkutsche auf Dinge, die Woidke seinerseits der CDU angekreidet hat. Diese sei »saft- und kraftlos«, habe keine Ideen, sei inhaltlich ausgebrannt, weil sie sich immer nur auf dem Merkel-Bonus ausgeruht habe, den es nun nicht mehr gebe. Deshalb zeigte sich Woid᠆ke auch zuversichtlich, einige der 2013 in Brandenburg an die CDU verlorene Bundestagswahlkreise bei der Wahl 2017 zurückzugewinnen.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der seinen Wahlkreis in Westbrandenburg hat, lobte Woidke, indem er eine »wahre Geschichte« erzählte, wie er beteuerte. Eine Genossin habe ihm gesagt, der Dietmar müsse bestimmt vier Meter messen, da er so sehr im Land verwurzelt sei. So lang, wie Dietmar sei, müsse er sicher noch in den Boden hineinreichen. Ansonsten nutzte Steinmeier seine Redezeit, um von der Außenpolitik zu sprechen. Er beschwor dabei das Erbe von Willy Brandts Ostpolitik. Sicherheit in Europa könne man nicht gegen, sondern nur mit Russland organisieren, mahnte Steinmeier. Aus der gegenwärtigen Entfremdung dürfe kein neuer Kalter Krieg oder Schlimmeres entstehen. Mehr Sorge als die AfD bereite ihm das Aufwachen des Nationalismus mit den »Brexit-Knaben« in Großbritannien und Donald Trump in den USA, verriet Steinmeier.

Ministerpräsident Woidke hatte zuvor bemerkt, die populistische AfD sei sogar gefährlicher als einst die neofaschistische DVU, die von 1999 bis 2009 im Landtag vertreten war. Denn die AfD wirke mit ihrer Hetze gegen Flüchtlinge in die Mitte der Gesellschaft hinein und schaffe damit einen Nährboden für Angriffe auf Asylheime. »Das ist weder Deutsch, es ist schon gar nicht abendländisch, es ist einfach nur widerlich«, schimpfte Woidke. Der Parteitag beschloss einen Leitantrag zur Bildungspolitik. Vorgesehen ist, dass in Zukunft noch mehr Erzieher eingestellt werden, um die im Bundesvergleich immer noch zu großen Kitagruppen verkleinern zu können. Gleichzeitig sollen die Familien finanziell entlastet werden, beispielsweise durch eine schrittweise Abschaffung der Elternbeiträge, zunächst noch vor der Landtagswahl 2019 eventuell durch ein beitragsfreies Kitajahr. Konkrete Vorschläge soll aber erst einmal eine Expertenkommission machen, wenngleich der Koalitionspartner LINKE meint, so lange müsse man nicht warten. Das Ziel sei doch bereits klar.

Doch Woidke warnte: »Die Brandenburg nehmen die SPD beim Wort.« Deshalb müsse sich die Partei hüten, voreilig etwas anzukündigen. Zunächst müsse sicher sein, dass die beitragsfreie Kita dann auch dauerhaft finanziert werden könne. Seite 11

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