Sanfte Brise

Personalie: Die Theologin Ellen Ueberschär wird Ko-Vorsitzende der Böll-Stiftung

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 2 Min.

Ellen Ueberschär soll in der grünen Heinrich-Böll-Stiftung Ralf Fücks als Ko-Vorsitzende ablösen - und der Unterschied zeigt sich auf den ersten Blick. Fücks ist ein Parteiveteran alter westdeutscher Schule, gestählt im Maoismus. Ueberschär dagegen steht exemplarisch für das sanfte ostgrüne Milieu: Sie wurde 1967 in Berlin-Pankow geboren, studierte Theologie, weil sie für Medizin nicht zugelassen wurde, und engagierte sich in der kirchlichen Jugendarbeit, über die sie 2002 auch promovierte.

Beruflich bewegte sich Ueberschär, die sich 1990 gegen einen Beitritt der DDR zum Grundgesetz und für eine neue Verfassung eingesetzt hatte, bisher im Protestantismus: Von 2004 bis 2006 war sie Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Loccum, von 2003 bis 2009 war sie Synodalin und 2006 wurde sie Generalsekretärin des Evangelischen Kirchentags. Dass sie nach Herausforderung suchte, wurde schon 2013 deutlich, als sie Präses der großen Evangelischen Landeskirche im Rheinland werden wollte. Nun klappt es, wenn die Gremien zustimmen, mit dem Leitungsposten bei der Böll-Stiftung, deren Mitgliederversammlung sie seit 2002 angehört.

Qualifiziert ist Ellen Ueberschär allemal. Das kirchliche Feld lehrt organisatorische Kompetenz wie Durchsetzungskraft. Inhaltlich aber sind von ihr neue Impulse zu erwarten. Fücks verfolgt eine Partei-Agenda: Orientierung an der »Mitte« und - der Westmaoismus lässt grüßen - an der NATO. Ueberschär dagegen wird kaum Akzente im Flügelkampf setzen. Parteipolitisch ist sie nie in Erscheinung getreten.

Gegenüber Fücks, dessen Politikstil stets auf seine Wurzeln in hyperdoktrinären Politsekten verwies, wird Ueberschär wirken wie eine sanfte Brise. Doch hat die Personalie auch parteipolitisch ihren Sinn: Die verheiratete Mutter einer Tochter appelliert nicht nur an die Mitte, sondern stellt diese dar - jenes Milieu so gutwilliger wie gutbürgerlicher Wohlanständigkeit, in dem die Grünen nach der Hegemonie greifen. In ihrem Vorfeld kann sie der Partei nützlicher sein als ihr Vorgänger.

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