Werbung

Zwiebelkuppeln am Seine-Ufer

Putin ließ in Paris Russisch-orthodoxe Kirche und Kulturzentrum bauen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Mittwoch wird mitten in Paris eine große Russisch-orthodoxe Kirche mit einem sich anschließendem Kulturzentrum und einer zweisprachigen Schule eingeweiht. Ehrengäste dieser Zeremonie sollten die französischen und russischen Präsidenten François Hollande und Wladimir Putin sein, doch dieser protokollarisch hochrangige Termin fiel der aktuellen Politik zum Opfer.

Nach den jüngsten Auseinandersetzungen im UNO-Sicherheitsrat um die russischen Bombardierungen in Syrien hatte Hollande seine Teilnahme an der Einweihung abgesagt und auch die offizielle Visite Putins im Elysée. Bestenfalls wolle er ihn zu einem Gespräch über Syrien treffen, ließ Hollande ausrichten. Daraufhin verzichtete der russische Präsident ganz auf seine Paris-Reise und zur Eröffnung kommen nun aus Moskau nur Politiker aus der zweiten und dritten Reihe.

Für Putin ist das eine herbe Enttäuschung. Ihm lag das Projekt eines russisch-orthodoxen Religions- und Kulturzentrums im Herzen der französischen Hauptstadt, das als geopolitisches Symbol von der gewachsenen internationalen Rolle Russlands künden soll, persönlich sehr am Herzen und war ihm die Baukosten von 170 Millionen Euro aus dem russischen Staatshaushalt wert. Nun wird es ohne großen Pomp den Betrieb aufnehmen.

Welche Rolle das neue religiös-kulturelle Zentrum spielen wird, bleibt abzuwarten. Doch schon seine Entstehungsgeschichte ist bezeichnend. Sie reicht zurück bis 2007, als mit Alexis II. erstmals seit der Kirchenspaltung von 1054 ein Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche Paris offiziell besuchte. Bei der Gelegenheit brachte er dem gerade gewählten Präsidenten Nicolas Sarkozy gegenüber den Wunsch nach einer repräsentativen Kirche und einem Kulturzentrum in Paris zum Ausdruck. Er wusste auch schon einen geeigneten Platz.

Kurz zuvor hatte Frankreichs Regierung im Rahmen eines Immobilienverkaufsprogramms zur Senkung der Staatsschulden bekanntgegeben, dass das am Seine-Ufer gelegene Gebäude des Wetterdienstes France Météo und sein 8400 Quadratmeter großes Gelände zum Verkauf stünden. Zu den Anwärtern gehörten Saudi-Arabien und Kanada, den Zuschlag bekam Russland. Da dessen Präsident und Regierung hinter dem Projekt standen, war das für Sarkozy eine Gelegenheit, die bilateralen Beziehungen zu beleben. Aus denselben Erwägungen wurde auch der Bau von zwei Hubschrauberträgern vom Typ Mistral für Russland vereinbart, die dann Jahre später unter das inzwischen verhängte Embargo fielen und mit Preisnachlass an Ägypten abgestoßen wurden.

Nachdem Russland das Gelände gekauft und das alte Gebäude abgerissen hatte, gab es einen internationalen Wettbewerb um den Neubau, an dem sich 444 Architekten aus aller Welt beteiligten und den der Spanier russischer Herkunft Manuel Nunez Yanowsky gewann. Doch gegen dessen Entwurf legte der Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoe sein Veto ein und die Ausführung wurde dem Zweitplatzierten, dem französischen Architekten Jean-Michel Wilmotte, übertragen. Der verstand es, charakteristische Elemente einer russisch-orthodoxen Kirche mit einem modernen und funktionellen Bauwerk inmitten einer historisch gewachsenen urbanen Umgebung zu verbinden.

Doch gab es noch viele Einwände von Anwohnern und Verteidigern des historischen Paris, die von Medien begierig aufgegriffen und oft stark überbetont wurden. Vor allem gab es Vorbehalte gegen die fünf goldglänzenden Zwiebelkuppeln, deren größte sich in 37 Meter Höhe mit elf Metern Durchmesser erhebt. Die vier anderen Kuppeln sind nicht viel kleiner. Während traditionell solche Kuppeln im Innern ein hölzernes Gerüst haben, aus Kupferplättchen zusammengesetzt sind und mit feinem Blattgold überzogen werden, hat man hier als Trägermaterial modernen Kompositwerkstoff verwendet und den Teil des Baus der bretonischen Bootswerft Multiplast übertragen.

So einen in der Sonne glänzenden Blickfang in Sichtweite des Eiffelturms fanden viele Kritiker bedenklich. Darauf erwiderte der Architekt, dass auch der Eiffelturm seinerzeit viel kritisiert worden ist, während ihn heute niemand mehr aus dem Pariser Stadtbild wegdenken will. Ernster zu nehmen war der Einwand, dass der auffällige Neubau am Seine-Ufer steht, dessen historisches Bild als UNESCO-Weltkulturerbe geschützt ist. Doch da die UNESCO, deren Sitz sich kaum mehr als einen Kilometer entfernt befindet, keine Einwände erhob, verstummte auch diese Kritik.

Die letzten Querschüsse kamen aus ganz anderer Richtung. Nachdem Moskau 2003 den Ölkonzern Yukos des regimekritischen Oligarchen Michail Chodorkowski beschlagnahmt und ihn eingesperrt hatte, erstatteten dessen ausländische Aktionäre Anzeige und erreichten, dass ein internationales Schiedsgerichts in Den Haag im Juni 2014 die russische Regierung zu 45 Milliarden Euro Schadenersatz verurteilte.

Da man in Moskau keine Anstalten machte, zu zahlen, gingen die Gläubiger daran, russischen Staatsbesitz im Ausland pfänden zu lassen. Das drohte auch dem Komplex mit den goldenen Kuppeln in Paris, den viele Pariser schon nach Putin ironisch »Sankt-Wladimir« nennen. Um negative Folgen für die bilateralen Beziehungen abzuwenden, brachte Frankreichs Regierung im Frühsommer 2016 im Schnellverfahren einen Gesetzentwurf durchs Parlament, nach dem ausländischer Staatsbesitz in Frankreich vor privatrechtlichen Beschlagnahmen oder Pfändungen geschützt ist. In Moskau konnte man aufatmen, doch die »kollateralen« Nutznießer dieses Gesetzes dürften afrikanische Diktatoren sein, die zulasten ihrer Völker Milliarden unterschlagen und damit in Frankreich Luxuswohnungen, Villen oder Schlösser erworben haben.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal