Mehr Klarheit für Pflegebedürftige

Neues Begutachtungsinstrument des Medizinischen Dienstes vorgestellt

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Für die Bewertung von Menschen mit Betreuungsbedarf werden ab 1. Januar kommenden Jahres fünf Pflegegrade das bisherige System der drei Pflegestufen ablösen. Die neuen Grundsätze des sogenannten Pflegestärkungsgesetzes II sind von diesem Zeitpunkt an auch für alle in Brandenburg tätigen Pflegedienste verbindlich. In den vergangenen Tagen wurden die brandenburgischen Pflegedienstleiter der Volkssolidarität in deren Landesgeschäftsstelle in Potsdam eingeladen, wo vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen die wichtigsten Änderungen zum Vorgängergesetz erläutert wurden.

Wie Andreas Heil, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der märkischen Volkssolidarität für den Bereich Pflege und Wohnen, dazu sagte, werde bei der Bewertung des Pflegebedarfes nicht länger im Vordergrund stehen, was die zu pflegende Person nicht mehr kann, sondern - im Gegenteil - zu welchen Verrichtungen sie noch in der Lage ist. In den Mittelpunkt der Begutachtung würden nunmehr solche Fragen gerückt wie: »Wie selbstständig ist der Versicherte bei der Bewältigung seines Alltags? Wobei benötigt er Unterstützung?« Einbezogen würden dabei nun auch psychische Problemlagen und die Fähigkeit zur Ausgestaltung sozialer Kontakte.

Neu sei auch, dass die »hauswirtschaftlichen Tätigkeiten« bei der Begutachtung keine explizite Rolle mehr spielen, wohl aber die Fähigkeiten der Klienten im Allgemeinen und Besonderen, so Heil. Auf die Frage, was sich für die heutigen Pflegepatienten ergebe, sagte er, bei einem vergleichenden Test nach dem künftig gültigen Katalog hätten die meisten Probanden eine höhere Pflegeleistung zugesprochen bekommen, als sie vorher hatten. »Nur selten wären sie nach den neuen Kriterien schlechter gestellt gewesen.« Die Krankenkassen stellen diese Patienten automatisch auf das System der Pflegegrade um, ohne dass es eine Nach-Begutachtung geben soll, erklärte der Experte. Sein Tipp für Betroffene: »Rufen Sie bei Ihrer Pflegekasse an und lassen Sie sich den für Sie geltenden Pflegegrad schriftlich bestätigen.«

Allein die 40 Pflegedienste der Volkssolidarität in Brandenburg betreuen rund 3200 Patienten nach dem Sozialgesetzbuch SGB 11 (Gesetzliche Krankenversicherung) und annähernd 3600 Patienten nach dem SGB 5 (Soziale Pflegeversicherung). Ein bedeutender Teil der Patienten nimmt beides in Anspruch. Insgesamt gibt es in Brandenburg fast 550 ambulante Pflegedienste unterschiedlicher Träger. Sie kümmern sich um die derzeit 96 000 im Land lebenden pflegebedürftigen Menschen. Prognosen zufolge werden es im Jahr 2030 mehr als 160 000 Pflegebedürftige sein.

Die Pflegestatistik zeige, dass die Pflegebedürftigkeit ab dem 75. Lebensjahr stark zunehme, vermerkte im Jahr 2014 eine Pflegestudie über den Fachkräftebedarf in Brandenburg. Während in den jüngeren Altersgruppen der Anteil der Pflegebedürftigen unter sechs Prozent liegt, steigt er bei den 80- bis 85-Jährigen auf 29 Prozent, bei den 85- bis 90-Jährigen liegt er bei 53 Prozent. Bis zum Jahr 2040 werden laut Gesundheitsministerin Diana Golze (LINKE) rund 26 000 zusätzliche Beschäftigte im Pflegebereich Brandenburgs benötigt. »Diese wird man nur bekommen können, wenn man dafür anständig bezahlt.«

Auch in Brandenburg untersuchte die Staatsanwaltschaft in den vergangenen Wochen, ob ambulante Pflegedienste Abrechnungsbetrug begangen haben. »Es werden Einzelfälle unter die Lupe genommen«, sagte dazu die Sozialministerin. Doch könne es nicht sein, dass das Fehlverhalten Einzelner »einen ganzen Berufsstand in Misskredit bringt«, stellte sie in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Landtagsabgeordneten Ursula Nonnenmacher (Grüne) klar.

Pflegedienste erbringen ambulante Leistung im Privathaushalten und dienen dem Ziel, Menschen so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden zu betreuen.

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