nd-aktuell.de / 27.10.2016 / Sport / Seite 19

Die FIFA wähnt sich unschuldig

Der niederländische Gewerkschaftsbund wird die FIFA wegen inhumaner Arbeitsbedingungen auf dem WM-Baustellen in Katar verklagen

Jirka Grahl

Das Schreiben, das am 21. Oktober bei der Kanzlei Prakken d’Oliveira an der Amsterdamer Linnaeusstraat einging, ist genau acht Zeilen lang. Oliver Jaberg, »Director of Integrity & Institutional Legal« beim Internationalen Fußballverband FIFA und sein Kollege Jörg Vollmüller, »Director of Operational Legal«, bestätigen darin den Erhalt einer Klageandrohung durch den größten niederländischen Gewerkschaftsdachverband FNV und bitten um eine Übersendung der notwendigen Vollmachten.

Nach den Formalien zur Einleitung folgt eine kühle Absage der FIFA-Juristen: Allen Vorwürfen der FNV und des Pakistaners Nadim Shariful Alam trete die FIFA »schon zu diesem Zeitpunkt« vorsorglich entgegen: »Bitte seien Sie informiert, dass die FIFA jedwede Anschuldigung in Ihrem Schreiben zurückweist.«

Die »Federatie Nederlandse Vakbeweging«, die dem Weltverband in ihrem Schreiben vom 10. Oktober eine Frist von drei Wochen gesetzt hatte, kündigte nun an, sie werde vors Handelsgericht Zürich ziehen. In einer 127-seitigen Klageschrift hat die FNV begründet, wieso sie die FIFA in einer Mitverantwortung für die menschenunwürdige Arbeitsbedingungen auf den WM-Baustellen in Katar sieht: Die FIFA hätte schon bei Vergabe der WM 2022 an Katar die Einhaltung elementarer Arbeits- und Menschenrechte einfordern sollen. Weil sie dies unterlassen habe, sei sie für die Situation der Wanderarbeiter auf den WM-Baustellen mitverantwortlich. Nun solle die FIFA Katar zu Arbeitsmarktreformen drängen, die den Arbeitern aus Indien, Nepal, Bangladesch, Sri Lanka oder den Philippinen überhaupt das Recht einräumt, vor Gerichten zu klagen. Versammlungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit und die Abschaffung des sklavereiähnlichen Kafala-Systems sind weitere FNV-Forderungen.

»Die FNV setzt den Weg gegen die FIFA vor Gericht fort«, erklärte ein Sprecher des Gewerkschaftsbundes gegenüber »nd«. Außerdem verlangen die Anwälte der Gewerkschaft 10 000 Euro Entschädigung für Nadim Amal. Der Pakistaner ist von der Gewerkschaft zum »internationalen Mitglied« erklärt worden. Nach Amals Schilderung wurde er mit falschen Versprechungen nach Katar gelockt, wo mit Tausenden anderen wie ein »moderner Sklave« unter »schrecklichen Bedingungen« gelebt habe. Er habe für die Vermittlungsgebühr nach Katar einen Kredit aufnehmen müssen, den er nach seiner vorzeitigen Entlassung nicht bedienen konnte.