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Der Himmel ist hoch im Reich der Mitte

Die chinesischen Kommunisten wollen verlorenes Vertrauen in die Partei zurückgewinnen

  • Werner Birnstiel
  • Lesedauer: 3 Min.

Zwei Lebensbereiche des Parteilebens der Kommunistischen Partei Chinas standen im Mittelpunkt des sechsten Plenums des 18. Zentralkomitees, das am Donnerstag zu Ende ging: zum einen die »Normen für das innerparteiliche Leben in der neuen Situation« und zum anderen »Änderungen der innerparteilicher Kontrollvorschriften«. Beides Aspekte, die für die Stabilität und Fortsetzung des Reformkurses von überragender Bedeutung sind. Im Prinzip ist das nichts Neues, denn seit Beginn der Reform- und Öffnungspolitik stehen seit 1981 auf den jeweils sechsten ZK-Plenartagungen jeder Wahlperiode die »Geisteshaltung und der Parteiaufbau« im Mittelpunkt. Die Herausforderung dabei: Gerade ein Jahr vor dem nächsten Parteitag gilt es, die seit 2003 geltenden innerparteilichen Regularien entsprechend Chinas hoher Entwicklungsdynamik zu modernisieren, in den Medien lebendig darzustellen und inhaltlich zu vermitteln. Doch das ist und bleibt schwierig. Aber Chinesen können dank ihrer prägnante Schriftsprache traditionell gut erkennen, worum es in der Sache geht und was großzügig zu interpretieren ist.

Während dieser ZK-Tagung wurden auch Zahlen und Fakten veröffentlicht, die die Höhen und Tiefen veranschaulichen, die in der alltäglichen Entwicklung zu bewältigen sind. Die KP Chinas hatte Ende 2015 über 88,7 Millionen Mitglieder. Die meisten von ihnen traten zwischen dem Reformbeginn 1979 und der Parteiöffnung 2012 in die Partei ein. 37,5 Prozent von ihnen sind Arbeiter und Bauern, 24,7 Prozent Fachleute mit hoher Qualifikation und Manager und rund 37 Prozent Führungskräfte einschließlich privater Unternehmer, Studenten und Pensionäre. 22,27 Millionen der Genossen sind weiblich.

Die politisch-moralische »Qualität« der Parteimitglieder ist seit drei Jahren ein großes Thema. Letztes Jahr wurden 1,96 Millionen Kandidaten angenommen, von ihnen sind 715 000 Studenten. Insgesamt gibt es 4,4 Millionen Parteigruppen mit jeweils etwa 20 Mitgliedern. Interessant ist auch, dass es in 91 Prozent der staatlichen Unternehmen Parteiorganisationen gibt, die an den Entscheidungsfindungen des Unternehmens beteiligt sind. Gruppen der Partei gibt es auch in der Hälfte aller privaten Unternehmen und in 40 Prozent der gesellschaftlichen Organisationen.

Seit 2013 wird monatlich über Erreichtes, Zielstellungen und Missstände aus den Parteiorganisationen berichtet. Dementsprechend wurden seit Dezember 2012 gegen mehr als 170 000 Parteimitglieder Disziplinarverfahren eingeleitet, Parteiausschlüsse und strenge Bestrafungen durch zivile Gerichte vor allem in Korruptionsfällen gegen ranghohe Funktionäre durchgesetzt. Ziel der laufenden Kampagne zur Korruptionsbekämpfung gegen »Personen und Cliquen« ist, »Vertrauen in die Partei« zurückzugewinnen.

Leichter gesagt und »oben« beschlossen als in der Praxis umgesetzt, denn im riesigen »Reich der Mitte« gilt oft noch immer »der Himmel ist hoch, der Kaiser ist weit«. Und die explosionsartige Entwicklung seit 1980 hat begünstigt, dass die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wurde. Allerdings kann sich inzwischen ein Großteil der fast 1,4 Milliarden zählenden Bevölkerung eines »bescheidenen Wohlstandes« in vielen Lebensbereichen erfreuen, wenngleich auf unterschiedlichem Niveau in den verschiedenen Regionen.

Jetzt geht es darum, bis 2021 - dem 100. Jahrestag der KP Chinas - noch etwa 55 Millionen Menschen aus ihrer absoluten Armut herauszuholen und durch Arbeitsplatzbeschaffung und ein System der sozialen Absicherung ebenfalls zu ihrem bescheidenen Wohlstand zu verhelfen. Sinn und Zweck dieses sechsten ZK-Plenums: Die KP China als Rückgrat der gesellschaftlichen Entwicklung in Richtung »Sozialismus chinesischer Prägung« spürbar zu stärken.

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